Regierungsprogramm: Kapitel "Bildung"

Wer im Bildungskapitel, auf das sich ÖVP und Grüne offenkundig miteinander geeinigt haben, die grüne Handschrift sucht, wird sich die Augen einigermaßen verwundert reiben: Da schimmert allerhöchstens eine sehr blassgrüne Handschrift durch. Und das, was offenbar als "grün" etikettiert gelten soll, kommt mitunter etwas plakativ daher: Wann immer etwas mit "Klima" vorkommt, darf man davon ausgehen, dass es die Grünen drinhaben wollten und sich die ÖVP nicht daran gestoßen hat, weil es eher von zeitloser Schönheit – oder eben dem globalen Megathema Klimaschutz geschuldet ist.

Wann immer das Wort "Klima" auftaucht, darf also davon ausgegangen werden, dass es von der grünen Seite des Verhandlungstisches kam, etwa wenn bei der Modernisierung der Lehrpläne die "Berücksichtigung von zeitgemäßen Lehr- und Lerninhalten wie Klimawandel und ökologisch verantwortungsbewusstes Handeln" oder bei der baulichen Modernisierung der Schulen "klimagerechte ökologische Standards im Schulbau" gefordert werden. Auch die Erhöhung des "Bio-Anteils" beim Schulessen werden die Grünen wohl für sich reklamieren. Teilweise wirken diese grün codierten Positionen etwas gar mikropolitisch angelegt.

Ethikunterricht für Religionsabmelder und Kopftuchverbot bis 14

Bei den symbolisch besonders aufgeladenen und umstrittenen bildungspolitischen Themen hat sich die ÖVP klar durchgesetzt: Ethikunterricht soll in der türkis-blau vereinbarten Variante nur für "Religionsabmelder" bzw. Kinder ohne religiöses Bekenntnis kommen, und auch mit dem Kopftuchverbot bis 14, das übrigens nicht im Bildungs-, sondern im Integrationskapitel steht, vollenden die Grünen nun das, was mit der FPÖ nicht mehr realisierbar war.

"Insbesondere islamische" Bildungseinrichtungen sollen auch verstärkt kontrolliert werden, "insbesondere zum Schutz von Frauen und Mädchen", ist dort zu lesen. Diese Kontrollen sind unter dem Titel "Klare Qualitätsstandards" generell auch für private Schulen und Kindergärten angekündigt, bis hin zur Ankündigung einer konsequenten Schließung, wenn gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Auch die viel kritisierten Deutschförderklassen von Türkis-Blau bleiben – sie sollen laufend wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden, bei der konkreten Umsetzung soll den Schulen "die notwendige Gestaltungsfreiheit" eingeräumt werden. Neu in dem Zusammenhang ist, dass künftig alle Lehramtsstudierenden verpflichtende Module im Bereich "Deutsch als Fremdsprache" machen müssen.

Elementarbildung stärken

Über den ersten Punkt "Stärkung der elementaren Bildung" wird sich die Berufsgruppe der Kindergarten- und HortpädagogInnen ebenso freuen, wie Expertinnen und Experten erfreut hören werden, dass ÖVP und Grüne nun endlich in Aussicht stellen, was sie schon lange fordern, nämlich einen "einheitlichen und verbindlichen Bildungs- und Betreuungsrahmenplan für alle elementaren Bildungseinrichtungen", wenn auch ohne konkrete Zeitangabe. Die gibt es für österreichweit einheitliche Qualitätsmindeststandards (etwa Bildungsziele, Qualitätssicherung), die bis 2022/23 festgelegt werden sollen.

Eltern von Kleinkindern machen ÖVP und Grüne insofern Hoffnung, als sie bekunden, sich "als Bundesregierung" für eine Bund-Länder-Vereinbarung zum "möglichst flächendeckenden qualitätsvollen" Ausbau elementarer Betreuungsplätze "einsetzen" zu wollen. Außerdem soll der "Zweckzuschuss" des Bundes ab dem Kindergartenjahr 2020/21 "wesentlich erhöht" werden.

Die vertagte tertiäre Ausbildung

Bei der Ausbildungsfrage hingegen haben sich die Grünen vertrösten lassen, indem die von der Berufsgruppe und von Experten geforderte tertiäre Ausbildung der KindergartenpädagogInnen erst "in weiterer Folge (...) angestrebt" wird. Die grüne Lesart aus früheren Tagen hätte gelautet: hochschulische Ausbildung, wie sie auch in anderen europäischen Ländern Standard ist.

Die ÖVP hingegen hat – mit Ausnahme des damaligen Staatssekretärs im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium und nunmehrigen Wirtschaftskammerpräsidenten Harald Mahrer, der 2014 im STANDARD-Interview für eine Uni-Ausbildung für KindergartenpädagogInnen plädiert hat – die Notwendigkeit einer Akademisierung immer infrage gestellt. Auch vor dem Hintergrund, dass sich die Gemeinden als Dienstgeber wiederholt gegen akademisch ausgebildete und dann teurere KindergartenpädagogInnen ausgesprochen haben.

Oft gehört und bis jetzt konkret wenig folgenreich ist die Absicht, den Männeranteil in der Elementarpädagogik "durch Lenkungsmaßnahmen" zu erhöhen. Wie die aussehen, wird nicht ausgeführt. Eine Grußformel findet sich auch im Programm: "Forschung zur Elementarpädagogik ist im Rahmen der Forschungsförderung zu begrüßen."

Laptop oder Tablet für jedes Kind ab der 5. Schulstufe

Das eigentliche Schulkapitel trägt den Titel "Starke Schulen brauchen gute Organisation, bedarfsgerechte Ressourcen und moderne Lehr- und Lerninhalte" und beinhaltet neben der Lehrplan- und Schulgebäudemodernisierung einen starken Fokus auf Digitalisierung.

Da werden sich diverse Tablet- oder Laptop-Anbieter freuen, denn schrittweise soll jedes Kind ab der 5. Schulstufe mit einem "digitalen Endgerät" ausgestattet werden – allerdings mit "privatem Finanzierungsanteil", wenngleich "sozial abgefedert", wie es im Programm heißt. In der "österreichischen Bildungscloud" soll "Lerncontent" sicher und zuverlässig gespeichert werden und abrufbar sein. Außerdem wird die "Entwicklung einer Cyber-HTL-Fachrichtung und IT-HTL mit Schwerpunkt auf Cyber-Security" geprüft.

Politische Bildung wird "verstärkt im Fach Geschichte / Sozialkunde / Politische Bildung verankert", die Regierung bekennt sich zur "Fortführung der aktiven Erinnerungspolitik im Bildungsbereich" – als Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus sowie der Bildungsarbeit gegen Antisemitismus und Rassismus in allen Schultypen.

Bildungspflicht bis 18 und Mittlere Reife

Ein ÖVP-FPÖ-Wunsch, nämlich die Schaffung einer Bildungspflicht bis 18 (statt der neunjährigen Schulpflicht) sowie die Einführung einer Mittleren Reife, wird nun auch von den Grünen mitgetragen. Bildungspflicht heißt, dass die Grundkompetenzen in Mathematik, Deutsch und Englisch beherrscht werden müssen, um die Schullaufbahn beenden zu dürfen, sonst muss die Schule bis 18 besucht werden. Die Mittlere Reife soll vor Ende der 9. Schulstufe stehen und die nötigen Grundkompetenzen "bestätigen", heißt es.

Unter der Rubrik "Bedarfsgerechte Ressourcen für unsere Schulen" wird die "Bereitstellung von Supportpersonal" angekündigt, und zwar "bedarfsgerecht aufgestockt". Aber auch der Plan für ein Pilotprogramm, mit dem 100 "Schulen mit besonderen Herausforderungen" zusätzliches Personal und Geld erhalten sollen. Für Schülerinnen und Schüler ab zehn soll es einen flächendeckenden Präventionsunterricht durch speziell ausgebildete Polizeibeamte geben.

Ganztagsschulen sollen Wahlfreiheit ermöglichen

"Zur Ermöglichung der Wahlfreiheit" sollen die Ganztagsschulen ausgebaut, zur Entlastung der Eltern soll es auch mehr Ferienbetreuung (mit sozial gestaffelten Kosten) und bei Bedarf Sommerunterricht geben. Ehestmöglich umgesetzt werden soll außerdem eine "tägliche Bewegungseinheit" an den Schulen, ist im türkis-grünen Programm zu lesen.

Es finden sich aber auch etwas skurril oder sehr detailverliebt anmutende Punkte im Regierungsprogramm wie "Berufliche E-Mail-Adressen für das gesamte Personal der Bildungsdirektionen bereitstellen und nutzen".

Gemeinsame Schule? Kein Thema

Wirklich große, systemumbauende Schulreformen finden sich also nicht im türkis-grünen Vorhabensbericht für die nächsten fünf Jahre. Vor allem das alte Streitthema einer gemeinsamen Schule findet sich nicht im türkis-grünen Regierungsprogramm. Davon ist –nicht mal, was Schritte in diese Richtung betrifft – selbst im an sich startbereiten Vorarlberg mit keinem Wort die Rede. (Lisa Nimmervoll, 2.1.2020)