Die Sondersitzung des türkischen Parlaments.

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Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat vom Parlament grünes Licht für eine Entsendung von Truppen nach Libyen bekommen. Wie erwartet votierte eine Mehrheit der Abgeordneten von Erdoğans AK-Partei und ihren Verbündeten am Donnerstag für ein entsprechendes Mandat. Die Abgeordneten aller großen Oppositionsparteien lehnten die Entsendung ab.

Erdoğan zufolge sollen die Soldaten die international anerkannte Regierung Libyens im Kampf gegen die Truppen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar unterstützen. Hinter Haftar steht unter anderem Russland.

US-Präsident Donald Trump warnte Erdoğan vor einem militärischen Eingreifen. In einem Telefonat mit Erdoğan sagte Trump am Donnerstag nach Angaben des Weißen Hauses, eine "ausländische Einmischung" verkompliziere die Situation in dem nordafrikanischen Krisenstaat.

Chaos seit Gaddafis Sturz

In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkriegschaos. Haftar kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis, wo die Sarraj-Regierung sitzt. Diese wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen.

Zahlreiche internationale Mächte sind in dem Konflikt verstrickt. Die Regierung in Tripolis wird von der Türkei, Katar und Italien unterstützt, General Haftar von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Zudem gibt es Vorwürfe gegen Frankreich, Haftar zu unterstützen.

Wie in Syrien unterstützen damit die Türkei und Russland unterschiedliche Parteien. Russlands Präsident Wladimir Putin wird am kommenden Donnerstag in Istanbul erwartet, und die Themen Libyen und Syrien werden sicher hoch auf der Agenda stehen.

Erdogan: Regierung bat um Unterstützung

Erdogan hatte vergangene Woche gesagt, er handle auf Einladung Al-Sarrajs, dieser habe ihn um eine Entsendung von Truppen gebeten. In dem Mandatsentwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, der Präsident entscheide über "Grenze, Ausmaß, Menge und den Zeitpunkt, um militärische Operationen und Interventionen durchzuführen, falls nötig".

Ob Erdogan im Falle einer Zustimmung des Parlaments die Erlaubnis sofort in Anspruch nehmen wird, ist unklar. Der Konflikt wird nach Ansicht von Experten auf beiden Seiten schon jetzt auch mit Hilfe ausländischer Söldner ausgetragen.

Den geplanten Militäreinsatz in Libyen begründet die Regierung vor dem Parlament mit den Interessen der Türkei im Mittelmeerraum und Nordafrika. Diese würden durch die verschlechterte Lage in Libyen bedroht, so steht es im Mandatsentwurf.

Streit um Erdgasvorkommen

Tatsächlich ist Erdogan daran gelegen, Al-Sarraj an der Macht zu halten. Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer fühlt sich die Türkei von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgeschlossen und schmiedet deshalb eigene Allianzen. Im November hatten Al-Sarraj und Erdogan Abkommen unterzeichnet, die neben einer militärischen Kooperation auch Seegrenzen im Mittelmeer festlegen. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.

In seiner Neujahrsansprache sagte Erdogan, mit den Vereinbarungen seien "Projekte, die darauf abzielten, die Türkei vollständig aus dem Mittelmeerraum auszuschließen", vereitelt worden.

Der stellvertretende CHP-Fraktionsvorsitzende Özgür Özel warf der Regierung bereits vor der Parlamentsdebatte vor, nationalistische Rhetorik zu bemühen, aber keine überzeugende Begründung für die Entsendung von Truppen nach Libyen vorzulegen.

Deutschland plant zum Thema Libyen für Anfang des Jahres eine Konferenz in Berlin, um die wichtigsten internationalen Akteure an einen Tisch zu bringen. Der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin glaubt jedoch, dass die Europäer keinen Einfluss mehr auf die Entwicklungen haben. Es handle sich um einen "Krieg vor Europas Haustür, der von fernen Mächten wie Russland und den Emiraten angetrieben wird".

Guterres warnt vor Einsatz

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat vor einem türkischen Militäreinsatz in Libyen gewarnt. Ohne die Türkei ausdrücklich zu nennen, erklärte Guterres am Freitag, "jegliche ausländische Unterstützung" der Kriegsparteien würde den Konflikt in dem nordafrikanischen Land "nur verschärfen und die Bemühungen um eine friedliche Lösung erschweren".

Die anhaltenden Verstöße" gegen das vom UNO-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo "verschlimmerten" die Situation noch, fügte Guterres hinzu. Die strikte Einhaltung des Waffenembargos sei "unerlässlich, um ein Umfeld zur Beendigung der Feindseligkeiten" zu schaffen, betonte Guterres weiter. Der UNO-Generalsekretär wiederholte zudem seine Forderung nach einem "sofortigen Waffenstillstand" und der "Rückkehr zum politischen Dialog aller Parteien". (APA, dpa, 2.1.2019)