Werner Kogler zu Besuch bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

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Zum ersten Mal seit 1949 wird eine andere linke Partei als die SPÖ an der Macht sein. Die Regierungspremiere der Grünen findet jedoch in keinem linken Bündnis statt, sondern in einer Koalition mit ökokonservativer Stoßrichtung. Im Regierungsprogramm finden sich höchstens ein paar progressive Farbtupfer, die von dem harten Rechtskurs in Sicherheits- und Integrationsfragen deutlich überschattet werden. Umweltschutz wird über alle anderen Themen gestellt. Ein Beispiel: In der Bildung geht zwar nichts weiter, dafür soll das Wissen über den Klimawandel in die Lehrpläne kommen. Das ist schon gar nicht mehr so weit entfernt von den bösen Scherzen über "klimaneutrale Abschiebungen", die in sozialen Medien kursierten. Allerdings war klar, dass ein türkis-grünes Bündnis mehr nach der stärkeren ÖVP ausschaut – und dass die Grünen mit diesem Bündnis ein großes Risiko eingehen.

Kein linkes Regierungsprogramm

Aber was für die einen eine Gefahr ist, kann für andere zur Chance werden. Eine deutlich linke Partei könnte unter der künftigen Regierung viele Punkte sammeln. Denn neben der Klimakatastrophe ist die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen das große Thema unserer Zeit. Hier hat das neue Regierungsprogramm aus linker Perspektive nur wenig zu bieten – eine Senkung der Körperschaftssteuer auf 21 Prozent ist jedenfalls kein progressives Signal. Wenn es eine Partei nun schafft, die Prekarisierung am Arbeitsmarkt und die Umwälzungen durch Automatisierung und Robotik zu thematisieren, könnte diese Bewegung nicht nur in der Arbeiterschaft, sondern auch in der von Abstiegsängsten geplagten Mittelschicht auf offene Ohren stoßen. Man blicke etwa auf die Renaissance linker Positionen bei den US-Demokraten.

Fraglich ist allerdings, ob die SPÖ das bewältigen kann. Die war zuletzt in einen unnötigen Streit mit dem ORF über eine heimlich aufgenommene Rede ihres Generalsekretärs verwickelt. Als erste Reaktion auf die Einigung der beiden Rivalen sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner danach, die neue Regierung werde "daran zu messen sein, ob sie die Lebenssituation für die Österreicher verbessert" – ein Nicht-Satz. Wenn die SPÖ diesem Stil treu bleibt, muss eine andere Partei die Lücke füllen. Was ist mit dem grünen Flügel, dem Minderheiten- und Menschenrechte wichtiger als Umweltschutz sind? Was ist mit den immerhin 140.000 Wählern, die für Jetzt, KPÖ oder den Wandel votiert haben? Sie warten auf eine linke Alternative zu Grün. (Fabian Schmid, 2.1.2020)