Vor den automobilen Premieren für Österreich, Europa und die ganze Welt werfen wir vorab auch einen Blick auf die typischen Besucher der Vienna Autoshow
Ansichtssache
/
Guido Gluschitsch
,
Automessen sind so aus der Mode wie Glockenhosen, Walkman und Jägermeister als Hauswein. Das merkt man auch ein bisserl in Wien. Aber wirklich nur ein bisserl. Denn der Zustrom zur Vienna Autoshow wird am 16. Jänner, rechtzeitig bevor um 9 Uhr die Drehkreuze zu rotieren beginnen, so groß sein, dass er seinen angestammten Platz im Verkehrsfunk finden wird. Mehr als 160.000 Besucher erwartet der Messeveranstalter an vier Tagen – wobei da jene, die wegen der gleichzeitig laufenden Ferienmesse kommen, schon mitgerechnet sind. Zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen ist nur ein Punkt, warum die Vienna Autoshow so viele Besucher hat. Und das, obwohl die Aussteller immer weniger werden.
In schöner Regelmäßigkeit lässt sich Volvo samt E-Mobilitätstochter Polestar nicht blicken. Mazda wird man vergeblich suchen, und der Toyota-Konzern mit Lexus gibt sich dem Machtspiel mit seinem ewigen Konkurrenten Volkswagen auch nicht hin. Letztere haben diesmal die gesamte Halle D für sich, weil auch Kia, die sich für gewöhnlich im hinteren Eck zwischen Seat und Fiat häuslich einrichteten, allein auf der neuen E-Mobilitätsfläche in der Nachbarhalle C präsentieren – wo heuer Citroën und Nissan für freie Flächen sorgen. Wäre dann noch der Fiat-Konzern mit seinen Marken Alfa Romeo bis Jeep, der eben auch nicht kommt.
Also Bühne frei für Volkswagen und seine Töchter Audi, Škoda, Seat und Porsche! Da fragt der Kenner natürlich, wo denn Bentley, Bugatti und Lamborghini bleiben. Daheim. Den freien Platz nimmt Škoda ein. Wo einst Fiat war, steht nun Porsche. Und wo Kia die Fläche freimachte, präsentiert die Porsche Austria – denn ehrlich gesagt tritt hier gar nicht der Mutterkonzern, sondern wie fast überall auf der Vienna Autoshow der Importeur auf – sein Tochterunternehmen Moon, das sich um alle Services rund um die E-Mobilität kümmert.
Die fehlenden Hersteller werden es also nicht sein, die Tausende in die Wiener Messehalle locken. Die Österreich-Premieren wohl auch nicht. Davon gibt es zwar rund 25 Stück, aber wer sich für diese interessiert, hat sich bereits im Internet darüber schlaugemacht. Einmal Probesitzen im angedachten Neuwagen wird den Weg nicht lohnen und die Kaufentscheidung nicht beeinflussen. Nicht einmal die Weltpremiere der Plug-in-Variante des BMW X1 ist für ein Selfie gut, weil der Wagen ja bereits bekannt ist und der neue Antrieb von außen auf Fotos nur schwer Eindruck schindet. Was also treibt die Massen in Hallen, zu den Autos, zu jenen heiligen Gralen, deren Image dieser Tage ein wenig angekratzt ist, zu einer Branche, die sich gerade mitten im Wandel befindet?
Messebesucher im Überblick
Vielleicht finden wir die Antwort darauf, wenn wir uns die markantesten Typen einmal genauer anschauen, die jedes Jahr auf der Messe zu finden sind und sich dort einen Jux machen. Starten wir gleich mit der Gruppe, für die vor allem der Wandel der Mobilität eine herausragende Chance darstellt, ihr sonst eh kaum unterdrücktes Erklärungsbedürfnis vor echten Experten auszuleben, um den Ausstellern und/oder Danebenstehenden zu erläutern, warum welcher Antrieb die Zukunft ist und alles andere eine Sackgasse.
Hierfür eignet sich die Vienna Autoshow tatsächlich hervorragend. Allein der Hyundai-Stand ist die perfekte Bühne für solche Menschen. Steht hier doch mit dem Nexo ein Wasserstoff-Auto, gleich daneben der Ioniq, den es als Hybrid, Plug-in-Hybrid und als E-Auto gibt. Und für Kleinwagenfetischisten, die in einem SUV den Untergang der Welt sehen, gibt es auch noch den neuen i10. Sollte man den konventionellen Antrieben das Wort reden, reicht ein Schlenkerer rüber zum anderen Halleneingang, wo Mercedes-Benz vom elektrisch angetriebenen Smart über den EQC und den eVito sowohl die E-Mobilität als Schaustück anbietet wie auch den A 45 S samt 421 PS aus dem stärksten Serienvierzylinder der Welt. Und ein paar Diesel werden sich hier bestimmt auch finden lassen, die als dreidimensionales Flipchart herhalten können.
Jäger und Sammler, die Koffer
Jedenfalls, heimlich die Gespräche dieser Menschen zu belauschen hat mitunter etwas von der Kurzweil eines Kabarettprogramms. Ganz anders sieht das bei den Jägern und Sammlern aus. Sie schlendern von Stand zu Stand und interessieren sich weniger für die Fahrzeuge per se als vielmehr für Prospekte, Kugelschreiber und ein bisserl was zu naschen.
Man erkennt sie leicht daran, dass sie zum einen ihre Garderobe nicht abgegeben haben und mit prall gefüllten Sackerln – die echten Profis auf dem Gebiet sogar mit Rollkoffern oder ähnlichen Nachziehdingern – unterwegs sind. Sie werden die Messe heuer in besonders guter Erinnerung behalten, weil es für sie eine geradezu barrierefreie Veranstaltung wird. Hersteller wie Rolls-Royce, Lamborghini, Bugatti und Bentley verschanzten sich ja gerne hinter Plexiglas-Zäunen. Weil die heuer aber nicht da sind, wird der Zugang für die Anhäufung ihrer Götzensammlung deutlich erleichtert. Allein Aston Martin und Porsche werden als willkommene Herausforderung dienen.
Gerade dort aber werden sich diese Personen aber mit einer anderen Spezies um den Platz an der Sonne duellieren müssen. Zumindest sollten sie darauf schauen, dass sie nicht gleich drüberfallen. Denn die Selfie-Fotografen sitzen nicht nur in den Autos und porträtieren sich daneben stehend, gerne kauern sie auch neben Radkästen oder Auspuffblenden. Zum Blenden werden wohl dann auch die Bilder dienen. Ganz ist das Auto als Statussymbol also noch nicht abgeschafft.
Und in Wahrheit ...
Doch bevor Sie mir jetzt vorwerfen wollen, dass ich in der Vienna Autoshow ein Kabinett der Sonderlinge sehe, muss ich Ihnen gleich widersprechen. Natürlich gibt es auch ganz normale Menschen dort, solche, die sich gerne die neuen Autos anschauen und sich über die neuesten Technologien aus erster Hand informieren wollen.
Da gibt es zum Beispiel die Gelegenheit, die modernen Sprachassistenten einmal zu probieren, sich durch die digitale Welt der Displays zu surfen und sich anzuschauen, welche Art der Bedienung einem am meisten zusagt. Und selbstredend ist es die perfekte Chance, sich eingehend und markenübergreifend mit dem eingangs schon besprochenen Wandel der Antriebe zu beschäftigen. Denn nur weil überall "Elektrifizierung" draufsteht, ist doch nicht immer das Gleiche drin.
Elektrifizierung beginnt nämlich schon bei den Mild-Hybriden und 48-Volt-Systemen, die gar nicht in der Lage sind, das Fahrzeug allein aus elektrischer Kraft zu bewegen. Auf der anderen Seite steht genau das, was wir uns unter dem Wort Elektrifizierung auch wirklich vorstellen sollen, nämlich reine E-Autos. Und derer gibt es auch der Vienna Autoshow viele. An die 20 Stück, wenn nicht noch mehr, sollten es sein. Hybride sogar noch mehr. Weil kaum ein Hersteller noch darauf verzichten kann, überschüssige Energie aus dem Verbrenner zu verschwenden.
Für Interessierte wird der Besuch der Vienna Autoshow also schon zu einer kleinen Lehrveranstaltung. Damit Sie sich vorab einen Überblick schaffen können, welchen Hörsaal, welches Herstellers Sie aufsuchen möchten, hier ein kleiner Überblick, was Sie auf der Vienna Autoshow erwartet. (Guido Gluschitsch, 6.1.2020)
In dieser Galerie: 41 Bilder
Forum: 437 Postings
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.