In den Sitzungssaal des ORF-Stiftungsrats kommt mit Regierungsantritt ein bisschen mehr Grün – bei weiterhin mehr Blau.

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Wien – Österreichs weitaus größtes Medienunternehmen ergrünt vorerst auch nach Regierungsantritt nicht. Im Stiftungsrat des öffentlich-rechtlichen ORF könnten nach ersten STANDARD-Informationen weiterhin mehr FPÖ-nahe Mitglieder sitzen als Räte, die den Grünen nahestehen – dafür ein bisschen mehr Unabhängige.

Der Stiftungsrat bestimmt nach geltendem ORF-Gesetz die Führung des Ein-Milliarden-Konzerns in Stiftungsbesitz. Jedes Budget, jedes Programmschema, jede größere unternehmerische Aktivität braucht eine Mehrheit unter den 35 Stiftungsräten.

Und dieser Mehrheit kommt die ÖVP voraussichtlich mit der nächsten Regierung wieder einen Schritt näher.

Die Volkspartei hat schon jetzt den größten "Freundeskreis". So werden Fraktionen in dem ORF-Gremium genannt, wo laut Gesetz von Weisungen unabhängige, allein dem ORF verpflichtete Räte sitzen.

15 Stiftungsräte sind dem ÖVP-Freundeskreis zuzuordnen – sechs aus den Bundesländern, dazu zwei von sechs Mandaten der Parteien im Nationalrat, vier von der alten Bundesregierung mit der FPÖ, zudem drei aus dem ORF-Publikumsrat. Dort bestimmt der Bundeskanzler oder sein Medienminister die Mehrheit der Mandate.

Die neue Bundesregierung kann nun ihre neun Regierungsstiftungsräte und sechs Parteienvertreter (auf Wunsch der Parteien im Nationalrat) abberufen und neu bestellen.

Mehr Unabhängige

Bei den Parteien steht den Grünen nun wieder ein Mandat zu; bisher hat das Mandat die nicht mehr im Nationalrat vertretene Liste Jetzt. Sie entsandte die deutsche Kommunikationswissenschafterin Susanne Fengler.

Die neun Regierungsmandate teilten ÖVP und FPÖ nach dem Schlüssel vier zu vier plus ein Unabhängiger (der katholische Kirchenmann Alfred Trendl) auf.

Der kolportierte künftige Schlüssel für die neun Regierungsmandate im Stiftungsrat: fünf ÖVP, zwei Grüne und zwei Unabhängige, die die Regierungsparteien gemeinsam aussuchen.

Das würde den ÖVP-Freundeskreis auf 16 vergrößern. Nur noch zwei Mandate – womöglich bürgerlicher Unabhängiger – fehlen dann auf die Mehrheit im Stiftungsrat, mit der ORF-Führungskräfte bestellt werden. Auch ein paar Enthaltungen können 16 zur Mehrheit machen. Und wenn die ÖVP noch den Vorsitz im Stiftungsrat bekommen sollte, dann hätte dieser bei Stimmengleichstand das entscheidende Stimmgewicht.

Vorsitzender des Stiftungsrats ist Norbert Steger auf einem Parteimandat der FPÖ. Wenn die FPÖ ihn nun einwechselt, verliert sie auch den Vorsitz im obersten ORF-Gremium.

Doch die Blauen bleiben im Stiftungsrat stärker als die Grünen, wenn der kolportierte Regierungsschlüssel kommt. Denn drei vom Publikumsrat entsandte FPÖ-Freunde sind bis 2022 bestellt und können nicht vorzeitig abberufen werden. Plus ein Parteimandat ergibt das vier Sitze im Stiftungsrat.

Die SPÖ kommt mit zwei Betriebsräten auf insgesamt fünf Mandate, der Vertreter des rot regierten Kärnten gesellt sich auch gern dazu. (fid, 3.1.2020)