Lebensfreundlich wären die Bedingungen auf einem Planeten, der ein Schwarzes Loch umkreist, wohl nicht. Aber er hätte eine fantastische Aussicht.
Illustration: Kagoshima University

Die gewaltigen Schwarzen Löcher, die sich nach aktuellem Wissensstand in den Zentren der meisten Galaxien befinden, könnten ihre eigenen Planetensysteme haben – Systeme, die in ihren Ausmaßen alles in den Schatten stellen, was Sterne umkreist. Und es würde sich auch nicht um das angesammelte Beutegut von unglücklichen Sternen handeln, die ins Schwarze Loch gestürzt sind und ihre ehemaligen Trabanten auf Orbits um das Schwerkraftmonster zurückgelassen haben. Wenn es nach einer Gruppe japanischer Forscher geht, die ihr Gedankenspiel im "Astrophysical Journal" vorgestellt haben, dann würden diese Planeten direkt vor Ort entstehen. Das Schwarze Loch wäre also gewissermaßen ihre Mutter.

Die Grundlage der Idee ist eigentlich recht einfach, nämlich der ganz normale Prozess der Planetenentstehung, soweit man ihn heute kennt. Demzufolge liefert die sogenannte protoplanetare Scheibe aus Gas und Staub, die einen neuentstehenden Stern umringt, das Rohmaterial. Durch ungleiche Verteilung des Materials kommt es an einzelnen Punkten zu Dichtekonzentrationen, die weitere Materie auf sich ziehen. Langsam wachsen diese dann zu Planeten heran – ein Prozess, der durch Kollisionen und Verschmelzungen mit anderen Ballungen noch beschleunigt wird.

Ähnlich ...

Eine ähnliche Art von Scheibe umgibt aber auch die supermassereichen Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien, argumentiert das Team um Keiichi Wada von der Universität Kagoshima und Eiichiro Kokubo vom Nationalen Astronomischen Observatorium Japans. Sie widmeten sich für ihr Paper sogenannten aktiven Galaxienkernen, also den weithin sichtbaren Zentrumsregionen von Galaxien, in denen ein Schwarzes Loch von enormen Ausmaßen eine Akkretionsscheibe aus Staub, Gas und Plasma um sich versammelt und dabei große Mengen von Strahlung freisetzt.

Auch in diesen Akkretionsscheiben wären Dichte und Temperatur ungleich verteilt – eine Parallele mit Konsequenzen. In ihren heißesten Regionen erreicht die Akkretionsscheibe Temperaturen von einigen Millionen Grad. Je dichter sich die Materie ballt, desto mehr Strahlung wird aber abgeblockt. Dadurch können sich auch wesentlich kühlere Regionen ausbilden. Manche davon, so die Forscher, seien sogar so kalt, dass sich von Eishüllen umgebene Staubpartikel bilden können. Wenn diese aneinanderkleben, setzen sie einen langsamen Prozess der Bildung immer größerer Körper ein. Am Ende des Prozesses, nach einigen hundert Millionen Jahren, würden Planeten stehen.

... nur sehr viel größer

Allerdings sind diese Akkretionsscheiben um einige Größenordnungen gewaltiger als herkömmliche protoplanetare Scheiben – und dementsprechend würden dann auch ihre hypothetischen Planetensysteme aussehen. Kokubo und Wada schätzen, dass eine solche Scheibe eine Milliarde mal mehr an Gas- und Staubmasse enthält als die Scheibe um einen durchschnittlichen Stern.

"Um Schwarze Löcher könnten Planetensysteme von verblüffenden Ausmaßen existieren", fasst Kokubo die Ergebnisse seiner Berechnungen zusammen. Die Bedingungen würden es zulassen, dass sich zehntausende Planeten von der jeweils zehnfachen Masse der Erde bilden könnten. Und diese würden im sagenhaften Abstand von bis zu zehn Lichtjahren um ihren gemeinsamen Mittelpunkt kreisen. Ein solches System wäre damit mehr als doppelt so groß wie der Abstand zwischen unserem bescheidenen kleinen Sonnensystem und dem nächstgelegenen Stern, Proxima Centauri. Oder ein anderer Vergleich: Bis zum äußersten Planeten unseres Systems, Neptun, benötigt das Licht nicht zehn Jahre, sondern nur gut vier Stunden.

Kokubos und Wadas Paper entwirft ein Modell, das dazu angetan ist, die Fantasie zu beflügeln. Die beiden Forscher hoffen auch, dass es ein neues Forschungsgebiet in der Astronomie eröffnen wird. Der Pferdefuß an der Angelegenheit: Überprüfen lässt sich die Hypothese auf absehbare Zeit leider nicht. Es gibt aktuell keine Methode, um die Existenz solcher Planeten, die um Schwarze Löcher kreisen, nachzuweisen. (jdo, 4. 1. 2020)