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Mit den "Dritten" musste sich der räuberische Majungasaurus nicht lange aufhalten – Ersatzzähne kamen im Schnelltakt.
Foto: AP/Max Ortiz/Detroit News

Eine Besonderheit, die uns Säugetiere auszeichnet, sind unsere Zähne: Während die meisten Tiere nur einen Zahntypus im Maul haben, umfasst das Säugergebiss verschieden geformte Zähne, die dadurch unterschiedliche Funktionen ausüben können. Außerdem sind sie – anders etwa als bei vielen Reptilien – fest im Kiefer verankert und entsprechend stabil.

Es gibt aber auch die Strategie Masse statt Klasse, und auf die dürften viele Dinosaurier gesetzt haben. Sie nutzten ihre Zähne rasch ab, dafür wuchsen ihnen laufend neue nach. Davon wiederum können Säugetiere nur träumen: Hier sind es in der Regel nur zwei Sets von Zähnen im ganzen Leben, danach kommt nichts mehr. Ausnahmen wie die Elefanten haben in Summe zwar auch nicht mehr Zähne, aber sie verteilen deren sukzessives Durchbrechen über einige Jahrzehnte.

Der König von Madagaskar

Ein Raubdinosaurier, bei dem der Zahnwechsel offenbar besonders rasch erfolgt ist, war laut einer aktuellen Studie der Majungasaurus (früher auch Majungatholus genannt). Er lebte zur selben Zeit wie T. rex am Ende der Kreide – allerdings am anderen Ende der Welt, wo es keine Tyrannosaurier gab. Trotz seines im Verhältnis längeren Schwanzes war Majungasaurus nur etwa halb so lang wie ein T. rex. Das reichte allerdings, um ihn in seinem Lebensraum, der vor 70 Millionen Jahren bereits isolierten Landmasse von Madagaskar, zum Platzhirsch zu machen.

Er gehörte zu einer anderen Entwicklungslinie von zweibeinigen Fleischfressern als T. rex: Die Abelisaurier unterschieden sich unter anderem durch die Ausbildung von Höckern oder Hörnern am Schädel von ihren Pendants im Norden. Ihr bekanntester Vertreter wurde deshalb auch Carnotaurus benannt, also "fleischfressender Stier".

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Paläontologe Michael D'Emic mit einem Majungasaurus-Fossil.
Foto: REUTERS/John Griffin/Stony Brook University

Ein Paläontologenteam der privaten Adelphi University in New York hat sich Fossilien von Majungasaurus nun näher angesehen. Insbesondere interessierten sie sich für alle Hinweise auf den Zahnwechsel bei Dinosauriern – ein bislang nur wenig beforschtes Thema, wie Studienleiter Michael D'Emic sagt.

Zum einen untersuchten die Forscher die Wachstumslinien an einer Reihe von Majungasaurus-Zähnen. Diese lassen sich ähnlich wie Baumringe lesen – allerdings ist ihre Ablagerung kein jährlicher, sondern ein täglicher Prozess. Zudem wurden tomografische Scans von erhalten gebliebenen Kiefern durchgeführt, um noch nicht durchgebrochene Zähne aufzuspüren.

Das Ergebnis der Hochrechnung aus beiden Datensätzen war durchaus bemerkenswert: Der Zahnwechsel muss bei Majungasaurus so schnell erfolgt sein, dass innerhalb von ein paar Monaten das komplette Gebiss ausgetauscht war. In jedem einzelnen Zahnfach habe sich alle zwei Monate ein neuer Zahn gebildet. Der Vergleich mit zwei anderen Spezies – Allosaurus und Ceratosaurus, beide zu anderen Raubsaurierfamilien gehörend – zeigte, dass der Zahnwechsel bei Majungasaurus bis zu 13 Mal schneller ablief.

Auch bei Allosaurus und Ceratosaurus wuchsen laufend neue Zähne nach – wenn auch nicht so schnell.
Illustration: Sae Bom Ra

Eine mögliche Erklärung dafür wäre laut D'Emic, dass der Dino Knochen abgenagt hat. Immerhin habe man auf fossilierten Knochen von Pflanzenfressern Spuren gefunden, die sich mit den typischen Gebissmerkmalen eines Majungasaurus decken würden. Da er aber im Gegensatz zu verschiedenen heutigen Säugetieren keine Zähne hatte, die für diesen Job speziell geeignet waren, nutzten sich diese rasch ab und mussten daher baldigst ersetzt werden.

Unter den fleischfressenden Dinosauriern, so weit bislang untersucht, ist Majungasaurus damit Rekordhalter. Einen ähnlich raschen Zahnwechsel kennt man aber von ganz anderen Dinos, nämlich den pflanzenfressenden Sauropoden aus der Verwandtschaft des Diplodocus. Und die Haie setzen heute noch auf diese Strategie – eine Tiergruppe, die es immerhin schon über 400 Millionen Jahre gibt. Auf Masse statt Klasse zu setzen, kann sich also auszahlen. (jdo, 1. 2. 2020)