Seit einem guten Jahr beschäftigen sich Airlines intensiv mit dem Phänomen. Immer mehr ihrer Passagiere haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie in einem Flugzeug sitzen. Grund ist der CO2-Ausstoß und das Wissen, etwas gegen die Klimakatastrophe unternehmen zu müssen. Auf das Fliegen will aber weiterhin kaum jemand verzichten. Aber auch die Nutzung von Netflix und anderen Streaminganbietern hinterlässt bei Sehern neuerdings ein schlechtes Gewissen.

Eine halbe Stunde Streaming verursacht laut Berechnungen des französischen Thinktanks The Shift Project Emissionen, die 1,6 Kilogramm Kohlendioxid entsprechen – etwa so viel wie bei einer Autofahrt von 6,28 Kilometern. Streaming war demnach im vergangenen Jahr für einen Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich, der genauso hoch war wie der Spaniens. Diese Menge werde sich in den nächsten sechs Jahren voraussichtlich verdoppeln, schätzt The Shift Project.

Die Streamingbranche wächst. Immer mehr Menschen haben Zugang zum Internet. Und neue Streamingdienste kommen hinzu: Am 1. November startete Apple TV+, kurz darauf Disney+, und im Mai startet HBO Max. Netflix, einer der größten Anbieter, expandiert weltweit. Die Einnahmen durch Streaming-Abos stiegen nach Angaben des Unternehmens zwischen 2017 und 2018 um 53 Prozent.

An zweiter Stelle kommt Online-Pornografie

34 Prozent des globalen Datenverkehrs entstehen durch das Streamen von Videos bei Anbietern wie Netflix und Amazon Prime. An zweiter Stelle kommt Online-Pornografie.

"Digitale Videos kommen in sehr großen Dateien, und die werden mit jeder neuen Generation von Videos mit höherer Auflösung immer noch größer", sagt Gary Cook von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Bildschirme werden ständig größer, die Auflösung und die Dateigrößen dementsprechend auch. Das bedeute einen wachsenden Energieverbrauch, sagt Cook.

Bildschirme mit 4K-Auflösung brauchen laut der Umweltschutzorganisation Natural Resources Defense Council etwa 30 Prozent mehr Strom als solche mit HD-Qualität. Vergangenes Jahr kamen die ersten 8K-Monitore auf den Markt.

Einen großen Teil der Energie fürs Streaming verschlingen die Server, auf denen die Video-Dateien liegen.

Auf allen Ebenen überdimensioniert

Um schnelles Streaming ohne Stocken zu garantieren, "werden die Anlagen auf allen Ebenen überdimensioniert", sagt Laurent Lefevre vom französischen Forschungsinstitut Inria. "Die Folge ist eine Verschwendung von Ressourcen auf allen Ebenen."

Die Anbieter bemühen sich in erster Linie um technische Lösungen, um die Umweltbelastung reduzieren – wie etwa eine klimafreundlichere Kühlung der Rechenzentren oder Codierungen, die die Datenmengen verringern. Experten bezweifeln jedoch, dass sich der ökologische Fußabdruck des Streamings dadurch begrenzen lässt. "Denn technologische Verbesserungen schaffen neue Nutzungsmöglichkeiten", sagt Maxime Efoui-Hess von The Shift Project.

Die Konsumenten müssten Druck auf die Anbieter ausüben, ihre Rechenzentren mit erneuerbaren Energien zu betreiben, fordert Gary Cook von Greenpeace. Forscher Lefevre appelliert an jeden Einzelnen, sein Nutzungsverhalten zu ändern: Am schädlichsten sei es, Filme auf dem Smartphone über eine mobile Datenverbindung zu streamen. Sparsamer ist es demnach, Videos in niedrigerer Auflösung im WLAN anzusehen. Auch die Autoplay-Funktion abzuschalten hilft, weil dadurch Mediendateien nicht mehr automatisch abgespielt werden. (red, 6.1.2020)