Noch einen Tag vor der Präsentation des Regierungsprogramms galt es als ausgemacht, dass Ex-Rektorin Eva Blimlinger die Kunst- und Kultur-Agenden übernimmt. Dann kam alles anders, und Grünen-Urgestein Ulrike Lunacek (im Bild) wurde vom Bundesvorstand der Grünen als Staatssekretärin im Vizebundeskanzleramt präsentiert. Sie wird neben der Kunst- und Kulturverantwortung auch weitere Aufgaben im Vizekanzleramt übernehmen.

APA/Georg Hochmuth

Wien – Tag eins nach der Präsentation des Regierungsprogramms im Bereich Kunst und Kultur beschert nicht nur erste Reaktionen seitens der Opposition und aus der Branche, sondern auch Hintergründe dazu, warum es so kam, wie es kam: dass die Kunst- und Kultur-Agenden also in ein beim Vizekanzler angesiedeltes Staatssekretariat abwandern, dem mit Ulrike Lunacek jemand vorsteht, in dessen Vita es bisher keine Anknüpfungspunkte zu diesem Ressort gibt.

Einem Artikel der "Presse" zufolge hatten sich die Grünen zwar die Fachbereiche Kunst, Kultur und Frauen bereits ausverhandelt, scheiterten auf den letzten Metern jedoch an der strikten Vorgabe der ÖVP, die ihrem Koalitionspartner nicht mehr als vier Ministerien und ein Staatssekretariat zugestanden. Nach einigem Hin und Her wurde im Laufe des Neujahrstags dann Ulrike Lunacek aus dem Hut gezaubert.

Noch am Tag davor galt Eva Blimlinger als Staatssekretärin für Kunst und Kultur als gesetzt – der Bundesvorstand der Grünen entschied sich jedoch kurzfristig um. Wie Blimlinger in einem Ö1-Interview erläuterte, wird Lunacek zusätzlich weitere Aufgaben im Vizekanzleramt übernehmen, "um hier koordinierend mit anderen Ressorts" und "in Europafragen mit dem Vizekanzler gemeinsam die grüne Position in der Regierung zu ergänzen". In ihrer Funktion als Vorsitzende des Kunst- und Kulturausschusses prophezeit sie eine gute Zusammenarbeit auf Regierungs- und parlamentarischer Ebene.

Unverständnis seitens der Opposition

In den Reihen der Opposition herrscht Unverständnis über die hierarchische Degradierung zu einem Staatssekretariat. Sich immerzu der weltweiten Bedeutung seiner Kunst und Kultur zu rühmen sei das eine – ihnen dann aber keine nachhaltige Priorität einzuräumen etwas völlig anderes: "Fast schon schizophren", meint Neos-Kultursprecher Sepp Schellhorn, "beschämend" und "wie ein Restposten verräumt", schlägt Kollege Thomas Drozda von der SPÖ in dieselbe Kerbe.

Denn ein Staatssekretariat habe bekanntlich "null Pouvoir, weder Budget- noch Verwaltungshoheit", bringt der ehemalige Kulturminister (2016–2017) seine Bedenken auf den Punkt. Denn am Ende spiele die Musik im Ministerium und nicht im Parlament. Ob sich die Grünen hier bei den Verhandlungen über den Tisch ziehen lassen haben, will er nicht kommentieren. Nur so viel: "Am Ende merkt man, ob jemandem etwas wichtig oder egal war."

Das Programm bezeichnet Drozda als "reichlich unspektakulär", und vor allem fehle das Commitment zu einer Valorisierung. Ein Punkt, den auch Schellhorn offen kritisiert. Denn mangels einer automatischen Inflationsanpassung der Förderbudgets geraten Museen, Bühnen und Orchester zunehmend unter finanziellen Druck.

Kein finanzieller Spielraum

Ohne den Teufel an die Wand zu pinseln: Die nun vorliegende Konstellation verschärfe die Abhängigkeit vom Wohlwollen des Finanzministers und nähre Befürchtungen, dass mehr evaluiert als umgesetzt wird. Dem Vernehmen nach soll Gernot Blümel (ÖVP) in den letzten Wochen jedweden finanziellen Spielraum bereits in Abrede gestellt haben.

Die Rückmeldungen zum Programm aus den Reihen betroffener Institutionen fallen ambivalent aus. Christoph Bazil, Präsident des Bundesdenkmalamts (BDA), sieht es als Bestätigung bereits laufender Reformen in seiner Institution. Den in Aussicht gestellten BDA-Fonds beurteilt er als hilfreich, sowohl für Spenden für Restaurierungen als auch für die bestehenden Förderungen, womit Verfahren effizienter abgewickelt werden könnten.

Haus der Geschichte?

Die im Programm angekündigte Bundesmuseumsholding beurteilt Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, in ihrer neu übernommenen Funktion als Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Bundesmuseen als verzichtbar. Die Bundesmuseen-Konferenz habe diesem Modell längst "eine Absage erteilt", da "die Kosten einer Holding die erwartbaren Synergien überschreiten würden und die Autonomie der einzelnen Häuser eingeschränkt würde". Kurz: kein Zusatznutzen, dafür zusätzliche Kosten.

Für Irritation sorgt indes, dass das Haus der Geschichte Österreich im Programm keine explizite Erwähnung fand. Direktorin Monika Sommer vermeint ihre Institution im Punkt "Gedenkkultur" zu verorten und sieht nun die Regierung in der Pflicht. Ob diese es auch so sieht, bleibt abzuwarten.

Derweil eröffnet sich an der Salzach eine erste Front: In einem APA-Interview hatte Eva Blimlinger dem geplanten Fotomuseum eine Absage erteilt. Prompt meldete sich Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) zu Wort. Das sei "eine salopp formulierte Meinung", er halte an der Idee fest und habe dazu bereits mit Blümel gesprochen. (Olga Kronsteiner, 3.1.2020)