Eine Iranerin trauert um General Soleimani.

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Dem toten iranischen General Ghassem Soleimani könnte gelingen, was ihm zu Lebzeiten verwehrt geblieben ist: den Einfluss der USA, die 2003 den Diktator Saddam Hussein gestürzt haben und seitdem politisch und in wechselnder Stärke militärisch im Irak präsent sind, endgültig zu brechen. Die Tötung Soleimanis gemeinsam mit dem Iran-treuen irakischen Milizenführer Abu Mahdi al-Muhandis und einigen anderen zeigte schon Stunden danach erste – vorhersehbare – Konsequenzen: Den USA ist es gelungen, die Reihen der zerstrittenen schiitischen Gruppierungen im Irak zu schließen, und zwar als Front, die sich vor den Iran und gegen die USA stellt.

Hegemonialpolitik umstritten

Die iranische Hegemonialpolitik im Irak war auch bei Schiiten umstritten, das sah man nicht zuletzt an den anti-iranischen Parolen, mit denen die Demonstrantinnen und Demonstranten ab Oktober auf die Straße gingen. Diese Protestbewegung ist nun wohl am Ende. US-Verteidigungsminister Mark Esper hat völlig recht, wenn er sagt, dass nun ein "anderes Spiel" gespielt wird. Ob die USA die Regeln dieses Spiels machen werden, über ihre Militäroperationen hinaus, ist eine andere Frage. Der Tod Soleimanis ist ein schwerer Schlag für den Iran, und militärisch sind die USA dem Iran selbstverständlich überlegen, falls der Funke wirklich den befürchteten Brand, einen Krieg, entzünden sollte: Aber der Iran war immer gut im Bespielen auch anderer als militärischer Bühnen.

Vielleicht erfährt man ja noch mehr über die Entscheidungsfindung im Weißen Haus und im Pentagon: Die Behauptung, die Eliminierung Soleimanis werde das Leben der Amerikaner im Irak sicherer machen, wurde jedenfalls durch die auf den Angriff folgende Evakuierungsanordnung für US-Bürger sofort widerlegt.

Vergeltungsschläge

Der Iran wird antworten, wann und wo auch immer. Bisher bedient sich Teheran, um zu reagieren, gerne seiner Stellvertreter: Das war auch bei der Belagerung der US-Botschaft in Bagdad durch irakisch-schiitische Milizionäre zum Jahreswechsel der Fall, die auf die Luftschläge der USA auf die Kataib Hisbollah, die Miliz von Abu Mahdi al-Muhandis, folgte. Das waren wiederum Vergeltungsschläge für einen Milizenangriff auf die USA in Kirkuk gewesen. Aber als die Militanten nach einem Tag von der Botschaft abzogen, sah man das als iranisches Signal, die Konfrontation nicht auf die Spitze treiben zu wollen.

Die Eskalation kommt jedoch nun aus Washington, nicht aus Teheran. Nicht nur die Prominenz Soleimanis macht diese Tötung zu einem Sonderfall, der brisanter ist als etwa ähnliche israelische Operationen in Syrien. Die Besonderheit ist die Stellung der USA im Irak: Die US-Armee ist auf irakische Einladung im Land, den Irak und die USA verbindet ein strategisches Abkommen. Und nun greifen die USA auf irakischem Boden – auf dessen Souveränität sie pochen – einen hohen Exponenten eines dritten Staates an. Der Irak ist nun ein US-iranisches Schlachtfeld. Aber es ist nicht gesagt, dass der Konflikt im Irak bleibt.