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Die Wut auf US-Präsident Donald Trump im Irak, schon vor einigen Tagen bei Protesten plakativ zur Schau gestellt, ist nun noch gewachsen.

Foto: Reuters / Khalid al-Mousily

Kaum war der Tod Ghassem Soleimanis publik geworden, sprach Mark Esper in merkwürdiger Wortwahl von einer "entschiedenen Defensivaktion". Der iranische General habe Attacken sowohl gegen Diplomaten als auch gegen Soldaten der USA vorbereitet, nicht nur im Irak, sondern im gesamten Nahen Osten. Die Umsetzung dieser Pläne habe man verhindern wollen, erklärte der US-Verteidigungsminister noch in der Nacht zum Freitag. Mit Donald Trumps Entscheidung, Soleimani zu töten, sei das Leben hunderter, wenn nicht tausender Amerikaner gerettet worden, legte Mike Pompeo später in einem CNN-Interview nach. Geheimdienste hätten gewarnt, "letzte Nacht war der Zeitpunkt, zu dem wir zuschlagen mussten", sagte der Außenminister, ohne im Detail zu erläutern, welche Gefahren den Amerikanern drohten.

Es ist eine Darstellung, die bei kundigen Beobachtern auf Skepsis und Widerspruch stößt. Falls es Hinweise gab, dass Soleimani Angriffe auf US-Soldaten im Irak plante, wäre präventives Handeln tatsächlich vertretbar, räumt Richard Haass, der realpolitisch-konservative Direktor des Thinktanks "Council on Foreign Relations", in einem Tweet ein. "Klug zu handeln ist allerdings etwas anderes." Denn nun drohe eine Spirale der Eskalation, die womöglich in einem Krieg ende.

Auch die Opposition kritisiert Trump. Sie nimmt die ganze Strategie, die dem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Teheran an Konstruktivem nichts folgen ließ, ins Visier. Nun, in der Sackgasse, werde sie immer mehr zu einem Vabanquespiel. Der Mann habe gerade eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen, kommentiert Joe Biden, der momentan aussichtsreichste Präsidentschaftsbewerber der Demokraten.

Es fehlt das Zuckerbrot

Tatsächlich hat das Oval Office im Umgang mit dem Iran allein auf die Härte schwerer Wirtschaftssanktionen gesetzt, ohne sie durch etwas zu ergänzen, was auch nur ansatzweise an Zuckerbrot denken ließe. Akute ökonomische Not soll das Volk auf die Barrikaden und das Regime zu Fall bringen, kalkuliert Trump. Kompromisse mit den Ayatollahs sind in dem Konzept nicht vorgesehen. Zugleich aber bremste er bisher immer dann, wenn Teheran mit Nadelstichen zu provozieren versuchte, um klarzumachen, dass auch andere einen Preis zahlen sollen, wenn es unter "maximalem Druck" Washingtons leidet.

Es fehlte auch die Peitsche

Eine bewaffnete Intervention wollte er schon deshalb nicht riskieren, weil er den Rückzug aus der krisenschwangeren Nahostregion versprochen hatte. Sein Zaudern, argumentieren wiederum die Hardliner, habe die Supermacht ihrer Glaubwürdigkeit beraubt. Im Juni nach dem Abschuss einer US-Drohne eine in letzter Minute abgeblasene Militäraktion, im September ein nicht geahndeter Raketenschlag gegen saudische Ölanlagen, in Washington dem Iran zugeschrieben: Trump, stichelten die Falken, erinnere an einen Papiertiger, den niemand ernstzunehmen brauche.

Nun, mit dem entschiedenen Handeln in der Causa Soleimani, so ihre Diktion, sei die Glaubwürdigkeit amerikanischer Abschreckung wiederhergestellt. Die Tötung des Generals sei die angemessene Antwort auf iranische Provokationen, sagte der konservative Senator Lindsey Graham.

Nicht nur das sieht die demokratische Parteiprominenz anders, sie wirft auch die Frage nach der Zulässigkeit, der Rechtmäßigkeit des Angriffs auf den Kommandanten der Al-Quds-Brigaden auf. Im Unterschied zu Osama bin Laden oder Abu Bakr al-Baghdadi war Soleimani nicht der Anführer eines Terrornetzwerks, sondern de facto Regierungsmitglied.

Schon zu Zeiten George W. Bushs und Barack Obamas machte er amerikanischen Truppen im Irak das Leben schwer, während er von Fall zu Fall, etwa im Kampf gegen al-Bagdadis "Islamischen Staat" (IS), mit ihnen kooperierte. Weder Bush noch Obama, betonen Trumps Kritiker, nahmen ihn direkt ins Visier, weil sie ahnten, was folgen würde. "Soleimani war ein Feind der Vereinigten Staaten, das steht außer Frage", fasst es der demokratische Senator Chris Murphy zusammen. "Die Frage ist: Hat Amerika gerade, ohne Erlaubnis durch den Kongress, die zweitmächtigste Person im Iran ermordet, wissentlich einen potenziell gewaltigen Regionalkrieg auslösend?" (Frank Herrmann aus Washington, 3.1.2020)