Die SPÖ wittert Etikettenschwindel. Anders als im türkis-grünen Koalitionspakt behauptet hätten von Armut bedrohte Kinder kaum etwas von der Aufstockung des Familienbonus, kritisiert Parteichefin Pamela Rendi-Wagner: "Besserverdiener profitieren."

Stimmt das? Zum Teil. Die Erhöhung des Bonus von maximal 1500 auf 1750 pro Jahr hilft wirklich Armen nicht: Bezieher mit einem Kind profitieren erst ab einem Monatseinkommen von 1750 Euro brutto, mit zwei Kindern ab 2300 Euro, mit drei Kindern ab 3000 Euro. Grund: Wer so wenig verdient, dass wenig oder gar keine Lohn- und Einkommensteuer zu zahlen ist, kann den als Steuerabsetzbetrag konzipierten Bonus nur zum Teil oder gar nicht ausschöpfen.

Der enge Kurz-Vertraute Gernot Blümel übernimmt in der künftigen Regierung das Finanzressort.
Foto: Matthias Cremer

Allerdings gibt es ein Trostpflaster. Alleinverdiener und Alleinerzieher mit Einkommen unter der Steuergrenze erhalten schon jetzt pauschal 250 Euro pro Kind und Jahr. Dieser "Kindermehrbetrag" soll nun nicht nur auf 350 Euro aufgestockt werden, sondern auch an alle Erwerbstätige mit Kindern fließen. Die Grünen haben also eine Ausweitung durchgesetzt, die Niedrigverdienern per se zugutekommt.

Dies kostet Geld – woher die Regierung das nehmen will, verrät sie im Programm aber nicht. Der aktuelle Spielraum im Budget dürfte zwar für die von Türkis-Blau übernommene und 3,9 Milliarden Euro teure Senkung der ersten drei Steuersätze bei der Lohn- und Einkommenssteuer reichen – für alles andere, was ÖVP und Grünen gut und teuer ist, scheint die Finanzierung jedoch in den Sternen zu stehen.

Teure Investitionspläne

Die von der ÖVP reklamierte Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent wird zumindest 1,5 Milliarden kosten, dazu kommen laut Schätzung der Arbeiterkammer 300 Millionen für ein weiteres Zuckerl: Gewinne aus Aktienverkäufen sollen wie früher nach einer bestimmten Behaltefrist wieder steuerfrei werden. In puncto Verteilungswirkung ähneln einander die beiden Maßnahmen übrigens: Erstere begünstigt überwiegend die potentesten Unternehmen, Letztere die vermögenden Menschen.

Fallen könnte auch der erhöhte Spitzensteuersatz von 55 Prozent auf Einkommensteile von mehr als einer Million, der derzeit bis 2020 befristet ist. Im Programm steht nichts von einer Verlängerung – ein weiterer Einnahmenentfall droht.

Dazu kommen teure Investitionspläne, von denen viele den Grünen ein Herzensanliegen sind. Die Regierung will Bus, Bahn und Bim ausbauen und ein österreichweites Öffi-Ticket um drei Euro pro Tag anbieten. Sie verspricht bessere Pflegeleistungen und mehr Personal für die Justiz, den Ausbau der Kinderbetreuung und mehr Sozialarbeiter, Psychologen für Schulen.

Es seien zwar Überschüsse im Budget zu erwarten, sagt Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), "doch die werden nicht ausreichen, um die Maßnahmen im Vollausbau zu finanzieren. Will die Regierung ein ausgeglichenes Budget, wird das ohne Gegenfinanzierung schwierig". Einsparungen, etwa durch eine Reform des Finanzausgleichs, sind nur vage angedeutet, abgesehen von der CO2-Bepreisung und Ökoabgaben sind neue Steuern, etwa auf Erbschaften, tabu – da setzte sich die ÖVP durch. Die Konsequenz könnte für die Grünen politisch schwerer zu tragen sein als für die Kanzlerpartei: Um die Versprechen im Programm zu verwirklichen, könnte ein Sparkurs bei anderen staatlichen Ausgaben notwendig werden. (Theo Anders, Gerald John 5.1.2020)