Die Pioneer-10-Sonde, die erste Raumsonde, die den Jupiter und anschließend den äußeren Bereich des Sonnensystems erreichte, ist seit annähernd 48 Jahren unterwegs.
Illustr.: Nasa

Zwei Wissenschafter haben sich die spannende Frage gestellt, welchen Sternsystemen sich die Pioneer- und Voyager-Sonden in ferner Zukunft einmal nähern werden. Von einigen dieser "Nahbegegnungen" wusste man bereits, viele aber sind neu. Die Resultate, die gut illustrieren, wie leer der interstellare Raum in Wahrheit ist, haben Coryn Bailer-Jones vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und Davide Farnocchia vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa am California Institute of Technology nun auf dem Preprintserver arXiv veröffentlicht.

Unterwegs mit der dritten kosmischen Geschwindigkeit

In den 1970er-Jahren schickte die US-Raumfahrtbehörde Nasa vier wissenschaftliche Sonden in unterschiedliche Richtungen ins All hinaus. Ihre Reisetempi waren hoch genug, um das Sonnensystem verlassen zu können; man spricht in diesem Zusammenhang von der dritten kosmischen Geschwindigkeit.

Pioneer 10 und 11 sowie Voyager 1 und 2 funkten nicht nur die ersten spektakulären Nahaufnahmen der äußeren Planeten zur Erde, sie werden ihren Flug auch noch lange nach dem Ende ihrer primären Mission fortsetzen. Während Voyager 1 und Voyager 2 auf ihrem Weg in den interstellaren Raum noch immer Energie für einige wissenschaftliche Instrumente zur Verfügung steht und nach wie vor Kontakt mit den beiden Veteranen gehalten wird, herrscht bei Pioneer 10 und 11 seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten Funkstille.

Präzise Durchmusterung

Um herauszufinden, welche Sternsysteme die vier Sonden wann passieren werden, nutzten Bailer-Jones und Farnocchia das Gaia-Weltraumteleskop. Das Instrument wurde 2013 von der Europäischen Weltraumorganisation Esa ins All geschickt und am Sonne-Erde-Lagrange-Punkt L2 stationiert. Gaia sammelt bei ihrer hochgenauen dreidimensionalen optischen Durchmusterungsmission Daten von über einer Milliarde Sterne. Der neueste Datensatz wurde erst letztes Jahr mit 7,2 Millionen Sternen veröffentlicht.

Bei der Kombination von Bahndaten der vier Weltraumsonden mit Gaia-Informationen zu einer Vielzahl von Sternen, die auf ihrem Weg liegen könnten, waren die Wissenschafter schließlich dazu in der Lage, die Reisen der Sonden in die stellare Nachbarschaft einigermaßen nachzuzeichnen. Das Ergebnis basiert freilich nur auf jenen Sternen, für die Gaia bisher verlässliche Daten geliefert hat (die tatsächliche Zahl dürfte also durchaus höher liegen): Im Verlauf von einer Million Jahre werden die vier Raumfahrzeuge jeweils rund 60 Sternen einigermaßen nahe kommen. Zehn Sterne werden sie in einem Abstand von zwei Parsec (also etwa 6,5 Lichtjahren) oder weniger passieren.

Die wichtigsten Annäherungen der vier interstellaren Sonden in der kommenden Million Jahre haben die Forscher in dieser Tabelle zusammengefasst. Relevant sind vor allem die Werte t [kyr] = Zeit in 1000 Jahren bis zur größten Annäherung und d enc [pc] = Abstand zur Sonde während der größten Annäherung in Parsec; 1 Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren.
Tabelle: C.A.L. Bailer-Jones, D. Farnocchia

Kollision am Ende der Zeiten

Die größte Annäherung an einen Stern wird demnach in diesem Zeitraum Pioneer 10 gelingen: Die Sonde wird – zumindest auf Grundlage der letzten bekannten Flugdaten – einen Stern mit der Bezeichnung HIP 117795 im Sternbild Cassiopeia in 90.000 Jahren in einem Abstand von 0,6 Lichtjahren passieren, was kosmisch gesehen tatsächlich äußerst nahe ist. In weit näherer Zukunft, nämlich schon in etwas mehr als 40.000 Jahren, wird Voyager 2 in einem Abstand von 1,6 Lichtjahren am zehn Lichtjahre entfernten Stern Ross 248 vorüberziehen.

Statistisch gesehen kommen die Sonden diesen Berechnungen zufolge alle 50.000 Jahre einem Stern bis auf 3,2 Lichtjahre nahe. Ehe es zu einer Kollision mit einem Stern kommt, werden die Raumfahrzeuge wahrscheinlich aber für Äonen unterwegs sein. Bis es so weit ist, dürften nach Meinung der beiden Forscher rund 1020 Jahre vergehen. Nach aktuellen Hypothesen zum weiteren Schicksal des Kosmos wird es zu diesem Zeitpunkt im immer weiter expandierenden Universum nur mehr Sternenleichen geben. (tberg, red, 11.1.2020)