Der Unfall ereignete sich gegen 1 Uhr nachts.

Foto: APA/FF LUTTACH

Bei einem der schwersten Alkohol- und Raserunfälle in Italien seit Jahren ist am Sonntag gegen 1 Uhr ein stark angetrunkener Einheimischer in Luttach im Südtiroler Ahrntal in eine Gruppe von 17 deutschen Touristen gerast, die gerade aus einem Bus ausgestiegen waren und die Straße überqueren wollten, um in ihr 50 Meter entferntes Hotel zu gelangen. Sechs Deutsche starben laut Behördenangaben noch an der Unfallstelle, elf Personen wurden verletzt, drei von ihnen schwer. Eine Frau erlag am Montag ihren Verletzungen.

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Die Verletzten wurden auf die Krankenhäuser Südtirols verteilt; eine junge Frau wurde per Hubschrauber in die Notfallklinik von Innsbruck geflogen. Bei zwei Verletzten handelt es sich offenbar um italienische Staatsangehörige.

"Das neue Jahr beginnt mit dieser schrecklichen Tragödie, das lässt uns hier alle fassungslos sein", erklärte Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher am Sonntag. Ein Polizeisprecher betonte, dass der Unfallverursacher mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein müsse: Das Fahrzeug, ein Audi TT, sei stark beschädigt worden, Trümmerteile seien in weitem Umkreis verstreut gewesen. Das Auto hatte die jungen Touristen frontal und mit voller Wucht erfasst. "Es war wie auf einem Schlachtfeld", erklärte der Chef der Freiwilligen Feuerwehr Luttach.

1,97 Promille

Bei dem nicht vorbestraften Lenker wurde ein Blutalkoholpegel von 1,97 Promille festgestellt – fast das Vierfache der erlaubten 0,5 Promille. Er wurde umgehend festgenommen und in eine psychiatrische Anstalt gebracht. Nachdem ihn die Polizei über die Bilanz des Unfalls unterrichtet hatte, habe er erklärt, er wolle sich das Leben nehmen, berichteten italienische Medien.

Einsatzkräfte am Unfallort.
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Die Ersten, die zur Unfallstelle eilten, um Hilfe zu leisten, waren Angestellte des Hotels, in dem die Gruppe wohnte. Sie sprachen gegenüber dem "Corriere della Sera" von "grausamen Szenen". Die privaten Helfer alarmierten umgehend die Rettungskräfte, die nach wenigen Minuten zur Stelle waren. Insgesamt standen laut Behördenangaben rund 160 Helfer im Einsatz: Neben der freiwilligen Feuerwehr aus Luttach waren auch die Berufsfeuerwehr Bozen, die Bergrettung Ahrntal, das Rote Kreuz und acht Notärzte vor Ort. Angesichts der großen Zahl an Verletzten wurde ein Feldlazarett eingerichtet, Notfallseelsorger kümmerten sich um Opfer und Zeugen. Auch Luttachs Bürgermeister Helmut Klammer machte ein Bild von der Lage.

Studentengruppe aus Nordrhein-Westfalen

Angaben zu den Opfern flossen am Sonntag zunächst nur spärlich. Nicht alle von ihnen hätten Ausweispapiere bei sich getragen, was die Identifizierung der Toten erschwert habe, hieß es. Laut Behörden handelte es sich um eine Gruppe von Studentinnen und Studenten vorwiegend aus dem deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen und aus Köln, die nach Südtirol gereist waren, um im Ahrntal und im Pustertal ihren Wintersporturlaub zu verbringen. Sie stammten aus verschiedenen Ortschaften und hätten sich untereinander nicht alle gekannt. Die Toten waren demnach zwischen 20 und 21 Jahre alt.

Die Stunden davor hatte die Gruppe in einer Disco verbracht und sich nachher von einem Shuttlebus auf den Parkplatz gegenüber dem gemeinsamen Hotel fahren lassen. Der Unfall ereignete sich im Ortsteil Oberluttach, etwa einen Kilometer außerhalb des Hauptorts Luttach. Der schnurgerade Abschnitt der Hauptstraße ist als Raserstrecke bekannt: "Wir haben schon mehrfach verlangt, dass eine Radarfalle installiert wird. Die Autofahrer geben beim Ortsausgang von Luttach sofort Gas und rasen hier trotz einer offiziellen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht selten mit 100 km/h oder mehr vor unserem Hotel durch", sagte eine Angestellte dem "Corriere della Sera". Und sie sei bei weitem nicht die Einzige, die sich in den letzten Jahren über mangelnde Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Straßenabschnitt beschwert habe.

"Omicidio stradale"

Dem 28-jährigen Unfallverursacher droht nun eine langjährige Gefängnisstrafe wegen "omicidio stradale", was sich am besten mit "Straßenmord" übersetzen lässt. Der Straftatbestand wurde im Jahr 2016 im Rahmen einer drastischen Verschärfung der Strafen für Verkehrsdelikte eingeführt. Wer mit überhöhter Geschwindigkeit und einem Alkoholpegel von über 0,8 Promille einen tödlichen Unfall verursacht, kann in Italien mit dem neuen Gesetz mit bis zu 18 Jahren Gefängnis bestraft werden. Die Verschärfung war von der Vereinigung der Angehörigen von Straßenverkehrsopfern mit einer Unterschriftensammlung angeregt worden, die auch vom Verband der Straßenpolizisten unterstützt wurde.

Vor der Gesetzesänderung konnten die Verursacher tödlicher Unfällen wie in den meisten europäischen Ländern wegen des fehlenden Tötungsvorsatzes nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden und kamen deswegen in der Regel mit relativ kurzen und oft bedingt ausgesprochen Freiheitsstrafen davon. Das Missverhältnis zwischen dem verursachten Leid und der milden Bestrafung wollten die Initianten nicht länger hinnehmen. (Dominik Straub aus Rom, 5.1.2020)