John Baldessari ist im Alter von 88 Jahren gestorben. 2005 war von ihm im Mumok die Schau "A Different Kind of Order" zu sehen.

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In dem Video "A Brief History Of John Baldessari" wird der US-amerikanische Künstler als der "Godfather of Conceptual Art" bezeichnet, als Meister der kulturellen Aneignung und Surrealist des digitalen Zeitalters. Er habe nicht nur Gemälde, Fotografien, Billboards, Videos, Filme, Skulpturen und digitale Kunst geschaffen, sondern auch Kreditkarten und sogar eine iPhone-App gestaltet.

Diese Aufzählung fasst nicht nur in ihrer inhaltlichen Dichte die Wucht des künstlerischen Werks des Künstlers zusammen, sondern fängt auch ganz formal den Humor seiner Kunst ein: dynamisch, anders, witzig. Den Text im Video spricht der Sänger Tom Waits, das hat sich Baldessari so gewünscht. Nun ist der US-amerikanische Konzeptkünstler im Alter von 88 Jahren in Los Angeles gestorben.

Eigene Werke verbrannt

Unweit von dort, in National City im Süden Kaliforniens, wurde Baldessari 1931 nahe der mexikanischen Grenze geboren. Erst arbeitete er als Kunstlehrer und war als relativ erfolgloser Maler tätig. Doch 1970 beschloss er, nicht mehr zu malen, in seinem "Cremation Project" verbrannte er beinahe alles was er bis dahin geschaffen hat und wandte sich der Performance, Fotografie und Videokunst zu.

Er begann Fotos mit Wörtern zu versehen: Unter ein Foto von einem Mann vor einer Palme schrieb er "wrong", unter eine Büroklammer "and". Er bedruckte Leinwände mit Schriftzügen und kombinierte so Text und Bild in einer Weise, die damals neu war und auch die Grenzen der Kunst zu sprengen drohte. "Ich halte Worte und Bilder für gleichbedeutend, und vieles in meiner Arbeit entstammt dieser Art zu denken", sagte der Künstler.

Bedeutender Dozent

Baldessari wurde zu einem Pionier der Konzeptkunst. Als Dozent am California Institute of the Arts (CalArts) beeinflusste er junge Kunstschaffende, wie David Salle oder Jack Goldstein, und wurde zu einem der bedeutendsten Vertreter der Appropriation Art.

Ab den 1980er Jahren zog es Baldessari nach Europa, wo er 1972 und 1982 bei der documenta 5 und 7 ausstellte. Weltweit wurden über 200 Einzelausstellungen mit seinen Arbeiten gezeigt, darunter in der Tate Gallery of Modern Art in London, dem Frankfurter Städel Museum und dem Museum of Modern Art in New York.

2009 erhielt er den Goldenen Löwen der 53. Venedig Biennale für sein Lebenswerk, 2012 Goslarer Kaiserring. Dass er bereits 1996 mit dem Oskar-Kokoschka-Preis ausgezeichnet wurde, zeigte seine Verbundenheit zu Österreich: Hier wurden seine Arbeiten 2005 im Kunsthaus Graz und dem Wiener Mumok gezeigt. Zu einem seiner letzten Werke zählte die Gestaltung des Vorhangs der Wiener Staatsoper für die Saison 2017/2018, den er als 20. zeitgenössischer Künstler zum Eisernen Vorhang wandelte.

Humor und Kritik

Baldessari hinterfragte Konventionen, nahm Kunst mit Humor und übte Kritik, auch an seinen Kollegen. Einmal soll er gesagt haben, dass er weder Andy Warhol noch Jasper Jones für die besten Künstler der 1960er Jahre hält, sondern den Regisseur Jean-Luc Godard. Als sein größtes Vorbild galt Henri Matisse. Dabei verwendete er eher wie Marcel Duchamp vorgefundenes Material und verfremdete es. Er fotografierte die Realität und übermalte sie wieder.

"Ich bilde ab, was in der Realität paradox ist", sagte er einmal. Riesige Collagen sprachen eine neue Bildsprache, waren kritisch und witzig zugleich. Zu seinem Stilmittel wurden bunte Kreise, mit denen er Gesichter verdeckte. Sie fassten seine Idee von Kunst zusammen und machten ihn unverkennbar – und unsterblich. Als Ikone sah sich Baldessari nie – immer wieder betonte er, er sei einfach nur "ein Künstler." (Katharina Rustler, 6.1.2020)