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Hunderttausende Menschen fanden sich zur Trauerkundgebung für General Ghassem Soleimani in Teheran ein. Irans staatliche Medien wollen gar mehr als eine Million gezählt haben.

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Die Menge brachte teils martialische Slogans vor, immer wieder wurde "Tod Amerika!" gerufen.

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Ein Trauerbild für Soleimani.

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Auch in Wien wurde Ghassem Soleimanis gedacht.

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Teheran/Washington/Bagdad – Das eigentliche Begräbnis ist zwar erst für Dienstag geplant, die Trauerfeiern für den hohen iranischen General Ghassem Soleimani in Teheran sorgten aber schon am Montag für den größten Menschenauflauf seit langer Zeit. Versammelt waren zahlreiche Anhänger des am Freitag bei einem Drohnenschlag der USA am Bagdader Flughafen getöteten Chefs der Al-Quds-Einheit der Iranischen Revolutionsgarden. Unter den hunderttausenden Trauernden waren aber laut Berichten vom Ort des Geschehens auch viele Iraner, die dem Regime sonst distanziert gegenüberstehen. Geleitet wurde die Kundgebung vom religiösen und politischen Chef des iranischen Staates, Ayatollah Ali Khamenei.

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TV-Kameras zeigten den 80-jährigen mehrfach in Trauergesten für den ranghohen General, der für die militärische Regionalpolitik des Landes zuständig war und dem in dieser Funktion Einfluss auf die blutigen Kriegsverläufe unter anderem in Syrien und im Jemen nachgesagt wurde. Khamenei versagte bei der Kundgebung mehrfach die Stimme, das Staatsfernsehen zeigte ihn in Tränen aufgelöst. Gefüllt wurde die dabei entstehende Stille durch Rufe der Menge, die immer wieder "Tod Amerika!" einforderte.

Amerika und Israel "dem Erdboden gleichmachen"

Mit Vergeltung drohte auch die Tochter des verblichenen Generals, Zeinab Soleimani. "Amerika und der zionistische Staat sollten wissen, dass der Tod meines Vaters zu einem Erwachen führen wird", sagte sie. Es werde für beide "ein dunkler Tag kommen und ihre Häuser dem Erdboden gleichmachen". Als "zionistischer Staat" wird im Iran Israel umschrieben, dessen tatsächlicher Name vom Regime nicht in den Mund genommen wird. Mit Rache hatte der Iran hingegen das ganze Wochenende schon immer wieder gedroht – wie genau sie ausfallen würde, war allerdings noch unklar. Israel und viele andere Verbündete der USA erhöhten ihre Sicherheitsvorkehrungen, US-Präsident Donald Trump ließ schon am Freitag 3.000 zusätzliche US-Soldaten in die Region bringen. Verwirrung herrschte am Montagabend um angebliche Pläne für einen US-Abzug, Verteidigungsminister Mark Esper erklärte, ein solcher sei nicht geplant

Vor allem aber warnte der US-Präsident den Iran mehrfach in harschen Worten vor Vergeltungsaktionen: Die USA hätten 52 Orte im Iran ins Fadenkreuz genommen, die man angreifen werde, sofern Teheran eine Racheaktion starte. Darunter, so Trump, seien auch "Orte, die für den Iran und die iranische Kultur sehr wichtig und hochrangig sind". Dass es sich nach Definition der Genfer Konvention, des US-"War Crimes Act" und der Uno bei der mutwilligen Zerstörung von Kulturstätten um ein Kriegsverbrechen handeln würde, ließ der Präsident in der Nacht auf Montag nicht gelten. Wenn der Iran "uns töten, verstümmeln und foltern" dürfe, dann sei nicht einzusehen, "wieso wir nicht ihre Kulturstätten angreifen dürfen". Via Twitter kündigte er zudem an, ein Angriff der USA könnte durchaus auch "unverhältnismäßig" ausfallen. Auch das würde internationalem Recht widersprechen und könnte ein weiteres Kriegsverbrechen darstellen. Möglich scheint, dass Trump mit seinen Äußerungen vor allem das Ziel verfolgt, den iranischen Tourismus zu schädigen.

Angebliche Vermittlungsmission des Generals

Rechtliche Fragen gibt es in den USA auch dazu, ob der Angriff auf Soleimani am Freitag nach US-Gesetzen rechtens gewesen sei. Das Weiße Haus argumentiert mit Selbstverteidigung, der General habe laut Geheimdiensterkenntnissen Angriffe auf Amerikaner geplant. Weitere Details will man dazu aber nicht nennen. Der irakische Premier Adel Abdel Mahdi widersprach dieser Darstellung am Sonntag deutlich. Er sagte vor dem irakischen Parlament, Soleimani hätte ihn im Verlauf des Freitags treffen sollen, um eine Botschaft Saudi-Arabiens an den Iran zu überbringen. Dabei hätte es sich um eine Vermittlungsmission gehandelt. An der Darstellung des Premiers regten sich später allerdings auch Zweifel – Soleimani wäre als Vermittler eine sehr ungewöhnliche Personalie gewesen.

Im Irak jedenfalls ist der Ärger darüber groß, zum Schauplatz des US-Angriffs auf Soleimani geworden zu sein. Das Parlament in Bagdad forderte am Sonntag Premier Abdel Mahdi dazu auf, den US-Truppen die Genehmigung zum Aufenthalt im Land zu entziehen. Der Regierungschef selbst hatte selbst die Idee vorangetrieben – ob er sie auch umsetzen kann, ist aber fraglich, da er wegen der Protestwelle der vergangenen Monate eigentlich bereits zurückgetreten und nur noch kommissarisch im Amt ist. Demonstrationen gibt es jedenfalls auch im Irak im ganzen Land, teils sind sie spontan, teils aber auch von den Iran-nahen schiitischen Milizen organisiert. In der Stadt Nasiriya griffen deren Mitglieder eine Gruppe regierungskritischer Demonstranten an, die sich nach Miliz-Sicht geweigert hatte, gebührend um Soleimani zu trauern.

Atomdeal de facto am Ende

Während militärische Reaktionen auf den Tod Soleimanis sich am Wochenende noch auf vereinzelten Raketenbeschuss des Green Zone in Bagdad – mutmaßlich ebenfalls durch schiitische Milizen in der Stadt – beschränkten, reagierte Teheran auf diplomatischer Ebene. Das Land teilte mit, man werde sich nicht mehr an die Bestimmungen des Wiener Atomdeals halten, weil auch die anderen Vertragspartner diesen nicht einhalten würden. Die befürchtete Ankündigung, der Iran werde Uran nun auf bis zu 20 Prozent anreichern, blieb aber aus.

Damit bleibt die "break out time", also jene Zeit, die der Iran brauchen würde, um eine Atombombe zu bauen, weiter in einem für die internationale Gemeinschaft berechenbaren Fenster. Auch Kontrollen durch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) will sich der Iran weiter unterwerfen. Außenminister Mohammed Javad Zarif teilte mit, sein Land bleibe innerhalb des Atomdeals – auch wenn sich Teheran de facto kaum mehr an eine der Beschränkungen hält.

Internationale Sorge, milde Worte aus Riad

International bleibt die Sorge vor weiterer Eskalation groß. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief dazu auf, das Atomabkommen weiter einzuhalten. Am Freitagnachmittag werden die EU-Außenminister zusammentreten, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Deutschland warnte vor einer "explosiven Lage", Kanzlerin Angela Merkel will am Samstag nach Russland reisen, um mit Präsident Wladimir Putin über "aktuelle Krisenherde" zu sprechen.

Italiens Premier Giuseppe Conte forderte angesichts der Krise eine "europäische Initiative gegen die Gewalt", die Nato wollte noch am Montag zu einer Krisensitzung auf Botschafterebene zusammenkommen. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg rief am Montag zur Deeskalation auf und übermittelte die "große Sorge" Wiens. Sein künftiger Chef, der designierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), hatte am Sonntag in der "Bild"-Zeitung Verständnis für das Vorgehen der USA geäußert. Dieses sei im Kontext des iranischen Vorgehens in der Region als "Reaktion" zu bewerten.

Überraschend deutlich rief Saudi-Arabien, der große Regionalrivale des Iran, am Montag zur Zurückhaltung auf. "Wir hoffen sehr, dass die Situation nicht weiter eskaliert", teilte Außenminister Prinz Faisal bin Farhan mit. (Manuel Escher, 6.1.2020)