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In New South Wales brennt es weiter. Die Feuer bedrohen den Lebensraum von Millionen Tieren.

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Koalas holen sich Wasser von Menschen.

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Der Koala in diesem Wildtierrettungszentrum in der Nähe der australischen Hauptstadt Canberra ist gar nicht zufrieden. Er knurrt wie ein Hund, als ihn sein Helfer aus dem Schlaf holt, um ihm seine verbrannte Pfote mit Salbe einzustreichen. Koalas sitzen am liebsten ruhig in einer Astgabel und verdauen. Das kleine Beuteltier gehört allerdings zu den Glücklichen.

Denn Tausende seiner Artgenossen waren in den vergangenen Wochen zu langsam, um den Feuersbrünsten zu entkommen. Sie verbrannten oder wurden schwerverletzt von Rettern gefunden und mussten eingeschläfert werden. Den bisher wohl größten Tribut an dieser Tierart forderten am Wochenende die Feuer auf der Känguruinsel südlich der Stadt Adelaide in Südaustralien. Schätzungen zufolge sollen allein dort bis zu 25.000 der ikonischen australischen Tiere verbrannt sein.

Der drastische Einschnitt in die Kolonie allein könne für die Tierart schon existenziell bedrohlich sein, sagen Spezialisten. Da weite Teile des Lebensraums auf absehbare Zeit zerstört bleiben, drohe den Überlebenden der Hungertod. "Koalas fressen nur Blätter bestimmter Eukalyptusarten. Wenn das Ausbreitungsgebiet der Bäume zerstört ist, können die Tiere nicht einfach zur nächsten Kolonie spazieren", sagt Tierarzt und Wildtierexperte Zach Lederhose.

Hunderte Millionen Tiere tot

Die Zahl der getöteten oder verletzten Koalas ist allerdings im Vergleich zur vermuteten Gesamtzahl der bisher allein im Bundesstaat New South Wales in den Flammen umgekommenen Wildtiere verschwindend gering. Wie der Ökologieprofessor Chris Dickman von der Universität Sydney am Montag sagte, könnten in den vergangenen Monaten bis zu eine Milliarde Säugetiere, Vögel und Reptilien getötet worden sein. In einer Studie war der Forscher von 480 Millionen Tieren ausgegangen, die seit Beginn der Brände im September Opfer der Flammen geworden seien – eine konservative Schätzung. "Die Zahl schließt Säugetiere, Vögel und Reptilien ein, nicht aber Insekten, Fledermäuse oder Frösche. Der tatsächliche Verlust an Tierleben wird wahrscheinlich viel höher sein als 480 Millionen", so die Universität.

Die Tierwelt des Bundesstaates sei auch ohne Feuer ernsthaft bedroht und stehe unter wachsendem Druck durch von Menschen verursachte Bedrohungen wie Landrodungen, der Ausbreitung exotischer Schädlinge und dem Klimawandel. Die Erderwärmung wird auch für die Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit der in vielen Gebieten Südostaustraliens weiter tobenden Buschfeuer verantwortlich gemacht. Feuer gehören zum Ökosystem Australiens, seit Tausenden von Jahren. Einige Pflanzen können sich sogar nur vermehren, wenn ihre Samenkapseln der Hitze oder dem Rauch eines Feuers ausgesetzt werden und sich dadurch öffnen können.

Brände heuer intensiver

Doch Feuerwehrleute klagen, die Feuer seien in diesem Jahr viel intensiver, heißer und erratischer. Überdurchschnittlich lange Trockenzeiten, mangelnde Niederschläge – beides Folgen der Erderwärmung – hätten die Vegetation so ausgetrocknet, wie das noch nie zuvor der Fall gewesen sei, so führende Klimaforscher.

Vor allem die bekannten australischen Tierarten ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Auf sozialen Medien werden Videos von Koalas, die Radfahrer um Wasser anbetteln, hunderttausendfach geklickt. Ökologe Dickman warnte, es sei notwendig, auch die Bedeutung anderer, weniger attraktiver oder bekannter Tiere zu sehen – vor allem kleinere, bodenbewohnende Arten. "Es ist sehr wichtig, dass auch diese Tiere genügend große Lebensräume haben." Die Feuer hätten schon den Großteil der Biotope bereits gefährdeter Tierarten zerstört.

Fatale Folgen für Ökosystem

Die Folgen sind nicht nur für die betroffenen Tiere fatal, sondern potenziell für das gesamte Ökosystem. Als Beispiel führt der Wissenschafter das kleine Beuteltier Potoroo an. Das Säugetier lebt in Wäldern und ernährt sich in erster Linie von Pilzen. "Dabei trägt es Pilzsporen durch die Landschaft, die wiederum von Grünpflanzen benötigt werden, um sich nach einem Brand wieder zu erholen." Die Forschung habe "noch keine Ahnung, was geschieht, wenn eine Tierart nach einem Brand komplett aus dem System verschwunden ist".

Und die Katastrophe dauert an: In New South Wales und Victoria lodern mehr als 170 Brände. "Die Feuer werden noch über Monate brennen", sagte Premierminister Scott Morrison am Montag. (Urs Wälterlin, 6.1.2019)