Die Grünen stimmten auf dem Bundeskongress mit eindeutiger Mehrheit für einen Eintritt in die Regierung.

Foto: APA/Gindl

Es war zwar keine Zitterpartie, aber mit einem so eindeutigen Ergebnis hatte selbst die Parteispitze der Grünen nicht gerechnet: Mehr als 93 Prozent der rund 260 Delegierten segneten auf dem Bundeskongress den türkis-grünen Regierungspakt ab. Und das, obwohl sich bereits im Vorfeld einige vor allem junge Delegierte gegen das Regierungsprogramm gestellt hatten. Aber Werner Kogler hat derzeit keine Probleme, seine Vorstellungen bei den Grünen durchzusetzen: Das zeigte schon vergangenen Sommer die problemlose Nominierung von Alma Zadić für Listenplatz fünf, obwohl diese gerade erst von der verfeindeten Liste Jetzt zu den Grünen gewechselt war.

So wie damals versuchte Kogler auch am vergangenen Samstag, seine Delegierten mit einer äußerst langen Rede zu begeistern. Während sie in den eigenen Reihen gut ankam, beurteilte sie die "FAZ" als "phasenweise erstaunlich fahrig" und "mit nur zwei Argumenten bestückt". Diese waren im Endeffekt: lieber Türkis-Grün als Türkis-Blau und "der Umweltschutz kann nicht länger warten". Die einzelnen Verhandlungsführer versuchten dann noch im Schnelldurchlauf, Errungenschaften in Themengebieten ihrer Zuständigkeit hervorzuheben. Dann folgte eine offene Diskussion samt Fauxpas bezüglich der Religionszugehörigkeit von Alma Zadić (die Rednerin Berivan Aslan bezeichnete sie als Muslimin und war dabei "falsch informiert" worden) und schlussendlich das erwünschte Abstimmungsergebnis mit prompter Gratulation von ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

Ganz so harmonisch ist die Situationen bei den Grünen allerdings nicht. Besonders als links geltende Abgeordnete müssen sich von ihrem zivilgesellschaftlichen Umfeld vorwerfen lassen, ihre Prinzipien über Bord geschmissen zu haben. Dazu schrieb etwa Faika El-Nagashi, einst im Wiener Gemeinde-, jetzt im Nationalrat, eine lange Erklärung auf Facebook. "Es gibt nichts zu beschönigen", so El-Nagashi, "das ist nicht meine Weltanschauung, meine Haltung, meine Politik." Weiters sprach sie von "Wut, Schmerz und Ohnmacht". Der Tiroler Landtagsabgeordnete Michael Mingler sprach davon, dass man dieses Regierungsprogramm "durchstehen" müsse.

"Genießt die letzten Stunden ohne Bundeskanzler Kurz"

Auch die kritische Gewerkschafterin Viktoria Spielmann, die am Bundeskongress eine Rede wider den Koalitionspakt hielt, zeigte sich unglücklich. Es bleibe ein Widerspruch "gleichzeitig rechte Politik bekämpfen zu wollen und dabei Kurz zu stützen", so Spielmann auf Twitter.

Stephan Bartosch, der Landessprecher der Grünen Jugend Niederösterreich, rief seine Follower dazu auf, "die letzten Stunden ohne einen Bundeskanzler Sebastian Kurz zu genießen". Der Nationalratsabgeordnete Michel Reimon erwartete gar, dass die ÖVP "bei der Umsetzung jeder einzelnen ökologischen Maßnahme bremsen" werde, das werde man selbst "bei jeder Grauslichkeit in anderen Bereichen machen".

Bei einer Mehrheit von sechs Mandaten könnte sich da so manche Abstimmung als Zitterpartie erweisen – wohl auch deshalb wollte Sebastian Kurz seine ÖVP mit einer Art "koalitionsfreiem Raum" bei Migrationskrisen beruhigen.

"Die Zeit reif für die Grünen, die Grünen reif für die Zeit"

Je arrivierter die Stellung innerhalb der Grünen ist, desto weniger Kritik gibt es – logischerweise. Der offizielle Account der Grünen schwärmte auf Facebook von einem "ganz neuen Weg, der vor uns liegt" und den man "gemeinsam" gehen wolle.

Parteichef Kogler sprach davon, dass "die Zeit reif für die Grünen und die Grünen reif für die Zeit" seien: "Wer, wenn nicht wir?" (Fabian Schmid, 6.1.2020)