Ein bewährtes Trio in Europa, in manchen Bereichen wie derzeit in der Iran-Frage auch weiterhin.

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In seiner ersten internationalen Bewährungsprobe als britischer Premierminister balanciert Boris Johnson auf einem Hochseil. Einerseits will es sich der Brexit-Vorkämpfer nicht mit seinem Fan im Weißen Haus verderben, andererseits bleibt Großbritannien in der Iran-Frage auf anderem Kurs als US-Präsident Donald Trump.

Nach der Rückkehr aus seinem Weihnachtsurlaub in der Karibik bezeichnete Johnson deshalb am Sonntag den getöteten General Ghassem Soleimani als "Bedrohung für die Interessen von uns allen. Wir werden seinen Tod nicht beklagen." Gleichzeitig rief er zur Deeskalation auf. In seiner gemeinsamen Erklärung mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel war diese dringliche Aufforderung sogar gekoppelt an eine Bereitschaft, "mit allen Seiten" im Gespräch zu bleiben, also eine Art Äquidistanz zum Iran und den USA, wie sie die drei EU-Vormächte bereits seit Kündigung des Iran-Atomvertrags durch die USA an den Tag gelegt haben.

400 britische Militärberater im Irak

Dafür dürfte US-Außenminister Mike Pompeo seinen britischen Kollegen Dominic Raab tadeln, wenn dieser, wie seit langem geplant, diese Woche in Washington zu Gast ist. Umgekehrt müssen sich die Amerikaner hinter vorgehaltener Hand Schelte aus London dafür gefallen lassen, dass man vor dem tödlichen Drohnenangriff vom wichtigsten Verbündeten weder konsultiert noch wenigstens gewarnt wurde.

Rund 400 britische Militärberater sind derzeit im Irak dabei, örtliche Soldaten im Kampf gegen die Terrorgruppe IS auszubilden. Am Montag appellierte Johnson telefonisch an den irakischen Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi, den Kampf gegen die Bedrohung durch den IS fortzuführen. Presseberichten zufolge sollen bis zu 3.000 zusätzliche britische Soldaten in die Region verlegt werden. Wie im vergangenen Sommer begleiten Schiffe der Royal Navy auch wieder britische Tanker durch die Straße von Hormuz.

Johnson größter Fauxpas

Die Krise um den Iran erinnert Johnson schmerzlich an den größten Fauxpas seiner Amtszeit als Außenminister (2016–2018). Damals hatte er indirekt zu einer Erhöhung der Gefängnisstrafe für die britisch-iranische Doppelstaatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe beigetragen, indem er sie fälschlich als "Journalisten-Ausbildnerin" bezeichnete. Die Mutter einer kleinen Tochter war während eines Iran-Urlaubs 2016 festgenommen und später wegen angeblicher Verwicklung in einen Umsturz des Regimes verurteilt worden. Am Montag sagte Johnsons Büro Richard Ratcliffe, dem Mann der Inhaftierten, ein persönliches Gespräch zu, bei dem es um die Sicherheit der im Iran inhaftierten Doppelstaatsbürger gehen soll.

Übers Wochenende musste sich der Regierungschef harsche Kritik der Labour-Opposition für sein tagelanges Schweigen zur Krise am Golf gefallen lassen. Deren außenpolitische Sprecherin Emily Thornberry höhnte, Johnson habe wohl beim Genuss "von Wodka Martini in der Sonne" ungestört bleiben wollen. Umso hektischere Aktivität entfaltete die Regierung zu Wochenbeginn. Der Premier werde auch weiterhin mit anderen Regierungschefs engen Kontakt halten, beteuerte ein Sprecher der Downing Street. Für Dienstagnachmittag, die erste Parlamentssession seit den Weihnachtsferien, ist eine Fragestunde im Unterhaus vorgesehen. (Sebastian Borger, 6.1.2020)