Nancy Pelosi, die Demokratin an der Spitze des Abgeordnetenhauses erklärte will Trump mit Blick auf einen möglichen Krieg in die Parade zu fahren.

Foto: SAUL LOEB / AFP

US-Präsident Trump muss sich demnächst im Senat den Anhörungen stellen.

Foto: JIM WATSON / AFP

Das US-Vorgehen im Nahen Osten empört Menschen weltweit, wie hier auf den Philippinen. In den USA wird über die Motive diskutiert.

Foto: AFP

Warum dreht Donald Trump ausgerechnet jetzt an der Eskalationsschraube? Dies, sagt Elizabeth Warren, sei die Frage, auf die man sich konzentrieren müsse. "Warum jetzt?"

Die Antwort glaubt die Senatorin aus Massachusetts mit einem Blick auf den Kalender des Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten geben zu können. Demnächst beginne die zweite Etappe, de facto ein Gerichtsprozess im Senat. Man wisse ja, wie sehr sich Trump darüber ärgere, was immer er öffentlich zur Schau stelle. Deshalb liege sie auf der Hand, die Frage, ob er den Konflikt mit Teheran nur deshalb verschärfte, weil er die Causa Impeachment in den Hintergrund drängen wollte.

Dass Trump den Befehl zur Drohnenattacke gegen den iranischen General Ghassem Soleimani gab, um von innenpolitischen Problemen abzulenken: Die These steht seit Tagen im Raum. Oppositionelle wie Warren, im Feld der demokratischen Bewerber fürs Oval Office eine der aussichtsreichsten, halten sie für plausibel genug, um sie zum Schlüssel zum Verständnis zu erklären.

Ähnliche Vorwürfe

Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident dem Militär auf halber Strecke eines Impeachment-Marathons einen Angriffsbefehl gibt. Im Dezember 1998 ließ Bill Clinton Ziele im Irak bombardieren, kurz bevor das Repräsentantenhaus über seine Absetzung abstimmen sollte. Saddam Hussein hatte die Zusammenarbeit mit Waffen inspekteuren der Uno verweigert, die Operation "Desert Fox" sollte ihn zur Umkehr zwingen. Doch weil sie zeitlich zusammenfiel mit dem Verfahren im Zuge der Affäre um Monica Lewinsky, sprachen Kritiker von einem Täuschungsmanöver. Trent Lott, im Senat Fraktionschef der Republikaner, äußerte den Verdacht, Clinton habe den Militärschlag nur angeordnet, um den Fokus zu verschieben, weg von der Innenpolitik auf ein fernes Krisengebiet. 21 Jahre später wiederholt sich der Vorwurf, nur dass der Präsident diesmal Trump heißt und die Kritik von den Demokraten kommt.

Impeachment-Prozedur vor entscheidender Phase

Wäre es nach dem ursprünglichen Plan gegangen, hätte sich von Dienstag, an in Washington alles um die entscheidende Phase der Impeachment-Prozedur gedreht. Doch erst geriet der Zeitplan durcheinander, weil Nancy Pelosi, die Demokratin an der Spitze des Abgeordneten hauses, mit Mitch McConnell, dem republikanischen Chef des Senats, über wichtige Details stritt.

Erst wenn zusätzliche wichtige Zeugen befragt seien, wollte Pelosi die von ihrer Kammer verabschiedete Klageschrift offiziell an ihn weiterreichen. Bislang ließ McConnell keinerlei Entgegenkommen erkennen. Wie und wann das Tauziehen endet, bleibt offen. Nur ist die Impeachment-Akte, zumindest für einige Tage, tatsächlich in den Hintergrund gerückt. Pelosi erklärte es mittlerweile zu ihrer Priorität, Trump mit Blick auf einen möglichen Krieg in die Parade zu fahren. Noch diese Woche will sie über eine "War Powers Resolution" abstimmen lassen, um das Mitspracherecht des Kongresses zu unterstreichen. Der Gesetzentwurf, schrieb sie in einem Brief an ihre Parteifreunde, soll garantieren, dass es auch im Kriegsfall das Parlament sein wird, das die Regierung kontrolliert. Konkret soll das Gesetz die Exekutive zwingen, eventuelle Kampfhandlungen nach spätestens dreißig Tagen einzustellen, falls die Legislative kein grünes Licht dafür gegeben hat. Trump, so Pelosi, habe die Vollmachten des Kongresses missachtet, als er einen "provokativen" und "unverhältnismäßigen" Luftschlag gegen Soleimani anwies. Nun müsse sein Handlungsspielraum eingegrenzt werden.

Das Gegenteil von Obama

Für die konservativen An hänger des Präsidenten steht etwas anderes im Vordergrund: der Kontrast zu Barack Obama, dessen weltpolitisches Aufbauwerk Trump mit geradezu fanatischer Besessenheit zum Einsturz bringt, vom Atomdeal mit Teheran über die Mitgliedschaft im Pariser Klimaabkommen bis hin zur Öffnung gegenüber Kuba. "Obama hat rote Linien gezogen und sie dann ignoriert", twitterte Matt Gaetz, ein Abgeordneter aus Florida. Trump werde dergleichen nie tun. Obama habe den Iranern Kisten voller Geld geschickt, wiederholte Steve Scalise, die Nummer zwei der Republikaner im Repräsentantenhaus, einen sachlich falschen Vorwurf. Seit Trump Verantwortung trage, setzen sich die USA zur Wehr. (Frank Herrmann aus Washington, 6.1.2020)