Stadt gegen Land, Arm gegen Reich. In der Debatte um die Reform der Pendlerpauschale verdichten sich einige der gesellschaftspolitisch heikelsten Streitfragen der vergangenen Jahre. Darf die Benützung des Autos teurer werden – wenn ja, für alle oder nur für jene, die es sich gut leisten können? Und was ist mit ländlichen Regionen: Ist es den Menschen dort zumutbar, mehr für die Benützung des eigenen Pkw zu zahlen, oder ist das eine Diskriminierung gegenüber Stadtbewohnern, wo es U-Bahn, Straßenbahn und Co gibt?

Antworten auf diese Fragen sind nicht trivial und beinhalten politische Sprengkraft. ÖVP und Grüne haben in ihrem Regierungsprogramm vermutlich deshalb nur festgeschrieben, dass es eine "Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit der Pendlerpauschale" bis 2022 geben soll. Wie das funktionieren wird, wissen die Koalitionäre selbst nicht.

Wodurch wird das Thema überhaupt heikel?

Die Pendlerpauschale wurde ursprünglich geschaffen, um in strukturschwachen Regionen die Landflucht zu verhindern. Anspruch auf die große Pauschale hat ein Arbeitnehmer, wenn sein Arbeitsplatz mit Öffis nicht erreichbar ist bzw. deren Benutzung "nicht zumutbar" ist. Die Höhe hängt von der Entfernung zur Arbeitsstelle ab.

Zwischen zwei und 20 Kilometer sind es 31 Euro, muss man mehr als 60 Kilometer fahren, wird eine Pauschale von immerhin 306 Euro pro Monat gewährt.

Die kleine Pauschale bekommen jene, denen die Benutzung von Öffis zumutbar ist, deren Arbeitsplatz aber weit entfernt ist. Zwischen 20 und 40 Kilometer sind es monatlich 58 Euro, bis 60 Kilometer 113 Euro und darüber 168 Euro.

Die Pendlerpauschale gilt laut Experten als klimaschädliche Subvention par excellence. Selbst bei der kleinen Pauschale ist es nämlich egal, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich öffentliche Verkehrsmittel benutzt oder nicht. Liegen alle übrigen Voraussetzungen vor, kann die Pauschale beantragt werden. Das Umweltbundesamt spricht davon, dass die Pauschale einen Anreiz für Zersiedelung und die Pkw-Nutzung schaffe, weil tendenziell der das meiste Geld bekommt, der weit weg von seinem Arbeitsort lebt und keine Öffis zur Verfügung hat.

Abschaffen ist kaum möglich

Hauptziel einer Umgestaltung, darüber herrscht weitgehende Einigkeit, müsste eine Ökologisierung der Pauschale sein. Sie einfach zu streichen wäre dabei keine praktische Lösung. Realpolitisch schon gar nicht, das will aktuell niemand.

Juristisch ist dieser Weg auch schwierig. In Österreich gilt, dass nur tatsächliches Einkommen steuerlich erfasst werden darf. Notwendige Ausgaben, um dieses Einkommen zu erzielen, wie zum Beispiel Kosten für An- und Abfahrt zum Arbeitsort, müssen berücksichtigt werden.

Dieses Prinzip bei Arbeitnehmern zu durchbrechen und die Pauschale zu streichen wäre juristisch heute kaum möglich, sagt der Steuerexperte Werner Doralt. Zumal ja auch Selbstständige ein Kilometergeld steuerlich geltend machen können. Und auch Unternehmen dürfen Aufwendungen steuerlich abziehen.

Plan aus dem Umweltbundesamt

Wie also könnte eine Ökologisierung bei Beibehaltung der Pauschale aussehen?

Einen Vorschlag hat das Umweltbundesamt im vergangenen Jahr vorgelegt: Dieser sieht vor, dass der Staat künftig die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln fördern soll. Arbeitnehmern, denen die Benutzung von Bahn und Bus zumutbar ist, stünde die Pendlerpauschale demnach künftig nur noch dann zu, wenn sie auch tatsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Nachzuweisen wäre das etwa über ein Jahresticket. Dieser Gruppe würde nur die kleine Pendlerpauschale gewährt.

Arbeitnehmern, die weit weg von einer Bahn- oder Busverbindung leben, würde laut Vorschlag eine verminderte Pendlerpauschale ausbezahlt werden, und zwar für die Fahrt vom Wohnort zum nächstgelegenen öffentlichen Verkehrsmittel. Für die Weiterfahrt mit Bahn oder Bus stünde ihnen die oben erwähnte kleine Pendlerpauschale zusätzlich zu.

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Experten und die meisten Parteien sind sich einig: Die Pendlerpauschale gehört reformiert – über den richtigen Weg wird gestritten.
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Politisch wird dieser Vorschlag wohl nur schwer umsetzbar sein. Das Umweltbundesamt schreibt, dass dieser Vorschlag bei vielen Haushalten zu empfindlichen Einkommensverlusten führen kann, und zwar dort, wo das Auto für die Fahrt zur Arbeit genutzt wird.

Ein Vorschlag aus dem Wahlkampf von der SPÖ und der Arbeiterkammer lautet daher, sowohl die große als auch die kleine Pendlerpauschale zu belassen. Wenn aber ein öffentliches Verkehrsmittel genutzt wird, könnten Arbeitnehmer einen Bonus beantragen und auf die große Pauschale aufstocken. Nachteil der Variante: Ob ein solcher Vorschlag tatsächlich dazu führt, dass deutlich weniger Menschen das Auto nützen, ist fraglich.

Interessant ist, dass es ansonsten wenig konkrete Ideen für eine Ökologisierung gibt. Sowohl das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) als auch das Institut für Höhere Studien (IHS) fordern zwar dringend eine Reform, haben aber selbst keine Lösungen erarbeitet. Auch Grüne und ÖVP haben im Wahlkampf keine konkreten Pläne vorgestellt.

Heikle Verteilungsfragen

Noch heikler wird die Debatte dadurch, dass es bei der Pendlerpauschale auch um verteilungspolitische Fragen geht. Aktuell ist sie als ein Freibetrag ausgestaltet. Die Pauschale wird von dem zu versteuernden Einkommen abgehoben und vermindert die Bemessungsgrundlage. Sprich: Je mehr jemand verdient und je höher der Steuersatz ist, unter den er fällt, umso stärker wirkt sich der Pendlerbonus aus. Geringverdiener haben weniger davon.

Die Liste Jetzt hatte über parlamentarische Anfrage im Jahr 2018 in Erfahrung gebracht, dass mehr als drei Prozent der Förderung über die Pauschale an Arbeitnehmer ausbezahlt wurden, die über 100.000 Euro im Jahr verdienten, quasi Speckgürtelförderung.

Hier wurden die Grünen konkret im Wahlkampf: Wie die SPÖ verlangten sie, die Pendlerpauschale zu einem echten Absetzbetrag zu machen. Jeder Euro würde also die Steuerschuld lindern und sich bei Arbeitnehmern unabhängig von der Steuerklasse gleich stark bemerkbar machen. Die ÖVP hätte freilich wenig Freude mit so einem Vorschlag, viele ihrer Wähler sind Besserverdiener, die auf dem Land leben. Wobei es verteilungspolitisch noch komplizierter wird.

Wird die Pauschale am Ende in einigen Fällen erhöht?

Als zweiten Teil ihrer Steuerreform haben Grüne und ÖVP vereinbart, eine höhere CO2-Bepreisung einzuführen. Hier soll eine Taskforce bis 2022 einen Plan erarbeiten. Doch diese Zweiteilung der Steuerreform dürfte sich in der Praxis als schwierig erweisen.

Sollte nämlich tatsächlich eine CO2-Steuer kommen, könnte das die Debatte über die Pendlerpauschale beeinflussen. Denn wenn es teurer wird, mit dem Auto zu fahren, braucht es dann nicht im Gegenzug eine stärkere Entlastung für Menschen in ländlichen Regionen, die gar nicht auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können? Die Kompensation für diese Haushalte könnte über die Pendlerpauschale laufen – die in diesen Fällen steigen müsste.

Sicher ist, dass, wenn Österreich die Pariser Klimaziele erreichen will, etwas im Verkehrssektor geschehen muss. Der Pkw-Individualverkehr und die Transportwirtschaft verursachen 45 Prozent der heimischen Emissionen. Der Anteil, der auf Pkws zurückgeht, ist deutlich höher als jener, der von Lkws kommt.

Von der Pendlerpauschale profitierten zuletzt 1,3 Millionen Arbeitnehmer. Dabei haben sie 1,3 Milliarden Euro vom Staat erhalten, der größte Anteil entfällt auf die große Pauschale. (András Szigetvari, 7.1.2020)