Alzheimer führt zu einem zunehmenden Verlust der kognitiven Fähigkeiten. Das Fortschreiten der Erkrankung lässt sich durch die transkranielle Pulsstimulation mit Ultraschall möglicherweise stoppen.

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Wien – Neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, Demenz, Parkinson oder Multiple Sklerose führen zu einem Absterben von Nervenzellen im Gehirn. Es kommt zu Erinnerungslücken, Sprachstörungen, Stimmungsschwankungen oder reduzierter Bewegungsfähigkeit und Muskelzittern bei Parkinson. Neurologen der Med-Uni Wien haben gegen diese Symptome eine neue Therapiemethode entwickelt. Erstmals konnten Mediziner mithilfe von Ultraschall nichtinvasiv in alle Bereiche des Gehirns eindringen und jene Nervenzellen aktivieren, die zur Regeneration von Hirnfunktionen beitragen. Die ersten Studienergebnisse zeigen, dass sich dadurch die Leistung des Gehirns verbessern lässt.

Die neue Methode nennt sich transkranielle Pulsstimulation mit Ultraschall (TPS) und wurde gemeinsam mit dem Schweizer Unternehmen Storz Medical entwickelt. "Die TPS macht es weltweit erstmalig möglich, mit einem Ultraschallpuls direkt am Schädelknochen, nichtinvasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein in alle Bereiche des Gehirns vorzudringen und dort ganz gezielt Hirnareale anzusteuern und diese zu aktivieren", erklärt Studienleiter Roland Beisteiner von der Med-Uni Wien.

Die Methode verlangt hohe Präzision. Mit den bisher zur Verfügung stehenden elektromagnetischen Methoden wie etwa der transkraniellen Magnetstimulation (TMS), bei der Magnetfelder auf das Gehirn wirken, um Nervenzellen zu aktivieren oder auch zu hemmen, war die notwendige gezielte und tiefgehende Stimulation nicht möglich. Bislang war das Einsetzen von Stimulationselektroden in tiefe Hirnareale (Deep Brain Stimulation) bei schwereren Erkrankungen eine Option. Allerdings handelt es sich dabei um eine langwierige Operation. Die Forscher hoffen nun, dass TPS auch dieses invasive Verfahren in Zukunft zumindest teilweise ersetzen kann.

Wie die Methode funktioniert

Der Aktivierungspuls, der vom Ultraschallgerät ausgeht, ist drei bis fünf Millimeter breit und etwa drei Zentimeter lang. Zuvor wird vom Gehirn des Patienten mittels Magnetresonanz eine exakte "Landkarte" erstellt. "Ganz im Sinn der Präzisionsmedizin wird dann jenes Areal punktgenau anvisiert, das aktiviert werden muss. Bei jedem Patienten können diese Areale anders liegen. Dank eines Navigationssystems kann der behandelnde Neurologe am Bildschirm genau mitverfolgen, wo der Puls ansetzen muss, und alles genau steuern", sagt Beisteiner.

Der TPS-Puls führt zu kurzfristigen Membranveränderungen an den Hirnzellen – dadurch wird die Konzentration von Transmittern und anderen biochemischen Stoffen lokal verändert. Das führt zu einer Aktivierung von Nervenzellen und dem Aufbau kompensatorischer Netzwerke, die die erkrankte Hirnfunktion verbessern. Die Folge: Das Gedächtnisnetzwerk wird angetrieben, und die Gedächtnisleistung steigt. Diesen Schluss legt zumindest eine erste Laborstudie nahe.

Einige Patientinnen und Patienten berichteten auch von deutlicher Stimmungsverbesserung, es fiel ihnen wieder leichter, körperlich aktiv zu sein und sich an Unterhaltungen zu beteiligen. "Es ist, als ob man einen alten Motor wieder anwirft. Jene Nervenzellen, die noch aktivierbar sind, zeigen danach deutliche Verbesserungen. Dadurch wird der Leistungsabfall gebremst", erläutert Beisteiner.

Studienteilnehmer gesucht

Für die Verbesserungen der Gehirnleistung reichten in der klinischen Pilotstudie, die nun im Fachjournal "Advanced Science" veröffentlicht wurde, sechs Sitzungen zu je einer Stunde, die auf zwei Wochen aufgeteilt wurden. Sollten sich die Ergebnisse in weiteren klinischen Studien bestätigen, könnte das ein großer Fortschritt in den Behandlungsmöglichkeiten von Hirnerkrankungen bedeuten. Bevor diese Methode aber in der Klinik eingesetzt werden kann, sind weitere wissenschaftliche Studien zur Evaluierung der Ergebnisse notwendig. "Dafür suchen wir noch Probanden und Probandinnen, die Alzheimer- oder Parkinson-Diagnosen, aber sonst keine Hirnerkrankungen haben", sagt Beisteiner. Interessierte können sich unter der Telefonnummer 01/40400-34080 für die Studie anmelden. (red, 8.1.2020)