Alma Zadić bei ihrer Angelobung als Justizministerin am Dienstag.

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Die Welle an Ablehnung, die der neuen Justizministerin Alma Zadić entgegenschlägt, illustriert exemplarisch die Anatomie moderner Kampagnen. Sie zeigt erneut das Zusammenspiel zwischen freiheitlichen Politikern, die Kritik äußern oder nur verklausuliert fremdenfeindlich agieren, und ihren oftmals rassistischen Unterstützern sowie der rechtsextremen Identitären Bewegung.

ORF

Vor den Feiertagen war es um die Person Alma Zadić relativ still: Die ehemalige Jetzt-Politikerin, die bei der letzten Nationalratswahl für die Grünen antrat, wurde in einigen Berichten als mögliche Justizministerin genannt, in sozialen Medien diskutierten darüber einige User überwiegend positiv.

Anders wurde das ab 27. Dezember: Da schaltete sich der ehemalige Identitären-Vize Patrick Lenart in die Debatte ein. Er warf Zadić vor, dass sie die Identitären im April 2019 als "illegalen Arm der FPÖ" bezeichnet habe, obwohl der Prozess gegen die rechtsextreme Gruppierung wegen des Tatbestands einer "kriminellen Vereinigung" damals schon rechtskräftig mit einem Freispruch geendet hatte. Zwar gab es damals schon neue Ermittlungen gegen Identitären-Chef Martin Sellner wegen seines E-Mail-Kontakts zum und einer erhaltenen Spende vom mutmaßlichen Rechtsterroristen B. T., die Unschuldsvermutung wird in Zadićs Aussendung jedoch nicht erwähnt.

Erste Phase: Kampagne wegen medienrechtlicher Verurteilung

Lenarts Tweet nahm allerdings nicht Fahrt auf. Am 29. Dezember wurde das nächste Argument gegen Zadić vorgebracht. Ein User mit nur wenigen hundert Followern wies auf Twitter darauf hin, dass die Grüne erstinstanzlich und medienrechtlich wegen übler Nachrede schuldig gesprochen worden sei. Es geht dabei um den Fall eines jungen Burschenschafters, der bei einer antifaschistischen Demonstration aus dem Fenster seiner Bude "gewunken" hatte – viele sahen darin einen Hitlergruß, der Betroffene – Sohn eines freiheitlichen Bundesrats – dementierte. Zadić verbreitete das Foto mit den Worten "Keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten" weiter. Der Burschenschafter fühlte sich gekränkt und klagte, der Richter gab ihm in erster Instanz recht, dagegen hat Zadić berufen.

Diese Causa wurde am 29. Dezember auch vom Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger aufgegriffen. Auf Facebook hat dieser fast 50.000 Fans. Unter seinem Posting zu Zadić kam es dann zu zahlreichen rassistischen und sexistischen Kommentaren. Außerdem behauptete Abwerzger fälschlicherweise, Zadić sei strafrechtlich verurteilt worden. Die schlimmsten Hasspostings wurden von der antifaschistischen, FPÖ-kritischen Initiative FPÖ Fails dokumentiert; mittlerweile hat Abwerzger sein Posting gelöscht.

Ab diesem Moment lassen sich einzelne Tweets und Facebook-Postings nicht mehr nachverfolgen, da vor allem fremdenfeindliche Inhalte in einer unüberschaubaren Menge kreiert und reproduziert werden. Identitären-Kopf Sellner retweetete etwa, dass dank Sebastian Kurz eine "Muslima aus Bosnien" ins Justizministerium komme.

Zweite Phase: "Muslimin"

Die nächste Welle an Angriffen folgte dann ab dem grünen Bundeskongress, der am 4. Jänner stattfand. Zadić erzählte hier in einer Rede von ihren Erfahrungen als Flüchtlingskind, was beispielsweise der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp mit dem Satz "Das qualifiziert natürlich jemanden sofort für ein Ministeramt!" quittierte. Dazu kam ein Fauxpas der Grünen: Die Rednerin und ehemalige Abgeordnete Berivan Aslan pries in einer Rede, dass dank der Grünen "die erste muslimische Ministerin" angelobt werde. Allerdings ist Zadić ohne Bekenntnis, wie ihre Partei später richtigstellte. Das sahen wiederum linke Nutzer als verfehlte Antwort auf die antimuslimische Agitation, weshalb es erstmals von dieser Seite zu Kritik kam.

Offiziell forderte die FPÖ eine Absage von Bundespräsident Van der Bellen an Zadić erstmals am 5. Jänner 2020. In einer Presseaussendung schrieb FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker fälschlicherweise, dass der Ex-Grüne Karl Öllinger in derselben Causa "letztinstanzlich" verurteilt sei und dass Zadić eine "Geldstrafe" haben zahlen müssen – korrekt ist: eine Entschädigung. Dagegen könnten Zadić und Öllinger nun selbst rechtlich vorgehen, kommentierte deren Anwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD berät. Hafenecker sah es als unfair an, dass Van der Bellen den "völlig unbescholtenen" ehemaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nicht erneut angeloben würde, Zadić hingegen schon. Allerdings war Kickl mehr als anderthalb Jahre im Amt, Van der Bellen konnte also seine Performance als Minister beurteilen – und die stärkste Ablehnung Kickls kam vom ehemaligen Koalitionspartner, der ÖVP.

Dritte Phase: Konstruktion einer Islamisten-Nähe

Nachdem einige argumentative Testballons in sozialen Medien nicht viral gingen – etwa die Unterstellung, Zadić könnte in offenen Verfahren zugunsten ihres ehemaligen Mentors Peter Pilz intervenieren (Pilz: "Freue mich auf die Verfahren") –, fingen Identitäre und FPÖ-Politiker an, Zadić mit dem radikalen Islam in Verbindung zu bringen. Sie beriefen sich dabei auf ein Video des "geläuterten Salafisten" Irfan Peci.

Der hatte einst gemeinsam mit dem österreichischen Jihadisten Mohammed Mahmoud für den Islamismus geworben, nach Mahmouds Festnahme dessen Kanal übernommen. Nach seiner eigenen Festnahme wurde er zum V-Mann, dann zum antimuslimischen Agitator. Eine Facebook-Seite, die er mit anderen betrieb, zeigte etwa Karikaturen von Muslimen, die Kamelurin trinken.

Als "Aussteiger" war Peci dann zum Medienliebling avanciert. Auch die FPÖ lud ihn zu Podiumsdiskussionen nach Wien ein. Pecis Karriere wurde jedoch vorerst beendet, als der "Spiegel" private Chatnachrichten von ihm enthüllte, in denen er rassistische Tiraden abließ. Peci behauptete nun in einem Youtube-Video, dass Zadić indirekten Kontakt zu Islamisten habe. Er stützt das darauf, dass sie als Abgeordnete im September 2019 das Islamische Kulturzentrum Graz besucht habe. Dort seien, so Peci, auch strengkonservative Prediger aufgetreten, außerdem gebe es Kooperationen mit anderen Moscheen, in denen problematische Inhalte verbreitet würden. Das Video wurde wiederum sofort von Sellner verbreitet, gegen den wegen seiner Kontakte zu B. T. Ermittlungen wegen Terrorverdachts laufen – es gilt die Unschuldsvermutung, in einer Maßnahmenbeschwerde bezeichnete ein Gericht die Vorwürfe bereits als überschießend. Schließlich landete das Video auf der Facebook-Seite von Dominik Nepp, der dort 88.000 Fans hat.

Kurz' "Fehler" im Morgenjournal

Damit wird nun mit mehreren Inhalten gegen Zadić agitiert. Gleichzeitig zeigten sich zahlreiche Nutzer, darunter auch Politiker der FPÖ, solidarisch mit Zadić. Im Ö1-"Morgenjournal" sagte am Dienstag, dem Tag der Angelobung, dann auch noch der neue Bundeskanzler Kurz, es sei ein "Faktum", dass sie "strafrechtlich in erster Instanz" verurteilt sei. Nach Beschwerden durch hochrangige Grüne folgte eine Entschuldigung auf Twitter. Zu den rassistischen Kampagnen gegen Zadić äußerte sich Kurz nicht.

Seiner Partei, dem jetzigen Koalitionspartner der Grünen, war schon vergangenes Jahr Rassismus gegenüber Zadić vorgeworfen worden. Der Abgeordnete Johannes Rädler (ÖVP) hatte eine Rede der damaligen Jetzt-Mandatarin mit den Worten "Wir sind hier nicht in Bosnien!" unterbrochen, später eine "Entschuldigung" von Zadić an Österreich gefordert. Sie hatte der türkis-blauen Koalition in ihrer Rede vorgeworfen, Österreich unsicher zu machen. Heute spricht Rädler, der nicht mehr im Nationalrat ist, von einem "sachlichen Konflikt", der sich "nie auf die Person Zadić" bezogen habe. Und schwärmt im Gespräch mit dem STANDARD von der Justizministerin. Diese sei "eine hervorragende Politikerin mit hoher fachlicher Kompetenz". Er sei jedenfalls "davon überzeugt, dass sie ihre Sache als Ministerin sehr gut machen wird". (Fabian Schmid, 7.1.2020)