Benjamin Netanjahu könnte demnächst seine Immunität abhandenkommen.

Foto: AFP / RONEN ZVULUN / POOL

Im Ringen um eine Immunität für Israels Premier Benjamin Netanjahu haben dessen Gegner einen Zwischensieg erzielt. Als Netanjahu vergangene Woche seinen Antrag auf Immunität in der Knesset, dem israelischen Parlament, einreichte, hoffte er offenbar, sein Ansinnen würde erst nach der Wahl im März diskutiert – von mehrheitlich wohlgesinnnten Abgeordneten. Nun hat jedoch Eyal Yinon, der Rechtsberater der Knesset, am Sonntag signalisiert, einer Debatte vor den Wahlen stehe nichts entgegen – ein Entschluss, den Netanjahus Gegner bejubelten. Denn nach aktuellem Stand fände der Antrag im Parlament keine Mehrheit. Und ohne Immunität müsste Netanjahu sich demnächst vor Gericht wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit verantworten – ernstzunehmende Vorwürfe, die ihn sein Amt und womöglich seine Freiheit kosten könnten.

An der Frage, wann sein Immunitätsgesuch debattiert wird, hängt also viel – und umso heftiger streiten sich Gegner und Verbündete über das weitere Verfahren. Vertreter der Likud-Partei des Premiers werfen Yinon Befangenheit vor, weil seine Ehefrau im Justizministerium arbeitet und in der Vergangenheit mit den Vorwürfen gegen Netanjahu betraut war. Yinon bestreitet das entschieden.

Streit im Parlament

Die Opposition wiederum macht Druck auf den Parlamentssprecher Yuli Edelstein, der dem Likud angehört. Er ist der Einzige, der mit seinem Veto die Bildung des Ausschusses aufhalten könnte, der Netanjahus Antrag vor der Abstimmung im Parlament zunächst diskutieren müsste. Yair Lapid, führender Politiker der oppositionellen Blau-Weiß-Partei, hat Edelstein mit Konsequenzen gedroht, sollte er die Auschussbildung verhindern: Das Parlament könnte dann einfach einen neuen Sprecher wählen. "Wir haben eine Mehrheit in der Knesset", warnte Lapid. Würde Edelstein, der als Nachfolger von Staatspräsident Reuven Rivlin gehandelt wird, wiederum gegen den Willen seiner Partei entscheiden, könnte das seiner politischen Karriere schaden.

Bevor er eine Entscheidung trifft, will der Bedrängte sich rechtlich beraten lassen, welche Macht sein Veto überhaupt hat – das Gesetz schweigt dazu. Und selbst wenn der Ausschuss tagen und die Knesset Netanjahus Antrag ablehnen würde, könnte der Likud noch Einspruch beim Obersten Gericht einlegen. "Es gibt viele Wege, dieses Spiel in die Länge zu ziehen", sagt der Rechtsexperte Amir Fuchs vom Israelischen Demokratie-Institut, einem liberalen Thinktank.

Nutzen für den Wahlkampf

Allerdings könnte allein die hitzige Debatte der Opposition im Wahlkampf nützen: Denn so richtet sich die Aufmerksamkeit auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Premiers anstatt auf aktuelle Themen der nationalen Sicherheit, die traditionell Netanjahu in die Hände spielen. "Vielleicht spielt Blau-Weiß dieses Spiel nur, weil es gut für ihre Agenda ist", gibt Fuchs zu bedenken. Dennoch räumt er der Opposition durchaus Chancen ein, Netanjahu die Immunität noch vor der Wahl zu verweigern. "Sie könnten es schaffen", meint er. "Es kommt darauf an, wie entschlossen sie sind." (Mareike Enghusen aus Tel Aviv, 7.1.2020)