Die Forscher vom Institut für Photonik an der Technischen Universität Wien (im Bild Václav Hanus) entwickelten eine neue Methode, um unterschiedliche Teilchengeschwindigkeiten beim Auseinanderbrechen von Molekülen messen zu können.

Foto: TU Wien

Brechen Moleküle auseinander, bewegen sich einzelne Bestandteile mit dramatisch unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Während die Elektronen so schnell davonrasen, dass man sie auf einer Skala von Attosekunden (Milliardstel einer Milliardstelsekunde) untersuchen muss, kommen die schwereren Atomkerne im Vergleich dazu praktisch nicht vom Fleck. Für die Wissenschafter ist das ein Problem, denn sie haben es mit sehr unterschiedlichen Zeitskalen zu tun.

Wissenschafter der Technischen Universität (TU) Wien haben nun aber eine Methode entwickelt, die beide Zeitskalen gleichzeitig zugänglich macht. Dafür wird ein elliptisch polarisierter Laserpuls verwendet bei dem die Richtung des elektrischen Feldes wie der Zeiger einer Uhr rotiert. Die Dauer des Laserpulses ist lang genug, um das vergleichsweise langsame Auseinanderbrechen des Moleküls abbilden zu können, aber die Rotation des elektrischen Feldes – der Zeiger der Uhr – rotiert dennoch schnell genug, um ihn als Zeitreferenz für die ultraschnelle Dynamik der Elektronen verwenden zu können.

Laserpuls gegen Wasserstoffmoleküle

"In unserem Experiment schießen wir mit einem Laserpuls auf ein Wasserstoffmolekül", erklärt Markus Kitzler-Zeiler vom Institut für Photonik der TU Wien. Das Molekül besteht aus zwei Wasserstoffatomen – also zwei Protonen und zwei Elektronen. Das elektrische Feld des Laserpulses reißt ein Elektron heraus, innerhalb von Attosekunden verlässt es das Molekül und fliegt davon. Sobald ein Elektron fehlt, verändert sich auch die Bindung zwischen den übrigen Bestandteilen des Moleküls. Der Abstand zwischen den beiden Protonen wird größer. Wenn dann auch noch das zweite Elektron vom Laserpuls entfernt wird, dann stoßen die beiden Protonen einander ab, und das Molekül hat sich vollständig in seine Bestandteile zerlegt.

Weil jedes Proton aber ungefähr 1836 mal schwerer ist als ein Elektron, bewegen sie sich viel langsamer. Das Auseinanderdriften der Atome misst man in Femtosekunden oder gar Pikosekunden – das tausend- bzw. millionenfache einer Attosekunde. In menschlichen Maßstäben ist das freilich immer noch unvorstellbar kurz, aber der Unterschied zur ultraschnellen Dynamik der Elektronen ist so groß, dass es sehr schwierig ist, einen passenden Taktgeber zu finden, der sowohl die schnelle Bewegung der Elektronen als auch das langsamere Auseinanderbrechen der Atombindungen messen kann.

Verknüpfte Taktgeber

Die Lösung lag in der Verknüpfung mehrerer Taktgeber, wie die Forscher im Fachjournal "Physical Review Letters" berichten. Der schnelle Taktgeber ist die Rotation des Lichtfeldes. "So ähnlich wie man einer Armbanduhr noch einen Sekundenzeiger hinzufügen kann, um kürzere Zeitintervalle zu messen, haben wir dem Laserpuls gewissermaßen einen Quanten-Zeiger hinzugefügt.", sagt André Staudte vom National Research Council in Kanada. Wie beim Uhrzeiger dreht sich die Schwingungsrichtung des elliptisch polarisierten Laserlichts im Kreis, allerdings rasend schnell, nämlich innerhalb von 2,5 Femtosekunden einmal rundherum.

Diese kontinuierliche Richtungsänderung kann man nutzen, um zu untersuchen, wie die schnelle Bewegung der Elektronen mit der langsamen Bewegung der Protonen zusammenhängt. Die zeitliche Entwicklung der langsameren Protonenbewegung lässt sich, wie das Forschungsteam zeigen konnte, aus der Energie der Protonen nach dem Molekülaufbruch ablesen.

Auch für kompliziertere Moleküle geeignet

"Wir konnten zeigen, wie die Energie der Protonen mit der Kreisbewegung des Polarisationszeigers zusammenhängt", sagt Kitzler-Zeiler. "Eine wichtige Rolle spielt der genaue Zeitpunkt, zu dem die Elektronen das Molekül verlassen: Ihre Bewegung hängt davon ab, in welche Richtung der Polarisationszeiger genau in diesem Moment zeigt. Und die Elektronenbewegung entscheidet dann wiederum darüber, wie sich die Protonen bewegen.

Diese Verknüpfung ermöglicht es uns, ganz unterschiedliche Bewegungsmuster von Elektronen und Protonen im Molekül während des Auseinanderbrechens zu unterscheiden." Die Forscher haben für ihr Experiment ein Wasserstoffmolekül verwendet, weil man dieses einfache Molekül sehr gut kennt. Die Methode könne aber auch für kompliziertere Moleküle angewendet werden, betonen die Wissenschafter. (red, 13.1.2020)