Opposition war schon einmal leichter. Mit der Angelobung der türkis-grünen Koalition am Dienstag hat in Österreich nicht nur ein Experiment in der Frage begonnen, ob Konservative und Ökopartei miteinander können. Auch die Opposition betritt Neuland. SPÖ, FPÖ und Neos wird es schwerfallen, eine Linie zu finden, um gegen die Regierung zu punkten. Eine Vorahnung dazu haben die vergangenen Tage geliefert.

Die SPÖ hat direkt und über ihr nahestehende Organisationen versucht, die neue Koalition nach der Präsentation ihres Programms, das es Reichen und Unternehmern recht mache, als arbeitnehmerfeindlich zu brandmarken. Und tatsächlich finden sich einige Punkte in diese Richtung im Koalitionsabkommen: So soll für Unternehmen die Gewinnbesteuerung von 25 auf 21 Prozent sinken. Aktienverkäufe sollen nach einer Behaltefrist wieder steuerfrei werden, und der Spitzensteuersatz für Einkommensmillionäre sinkt von 55 auf 50 Prozent. Über all das lässt sich streiten.

Der Opposition wird es schwerfallen, eine Linie zu finden, um gegen die Regierung zu punkten.
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Nur werden zugleich auch Arbeitnehmer entlastet. Der Familienbonus wird ausgeweitet und für Geringverdiener und Alleinerzieher ausgebaut. Der unterste Tarif in der Einkommenssteuer sinkt von 25 auf 20 Prozent. Das werden viele spüren. Hinzu kommt, dass ab 2020 eine Entlastung bei den Krankenversicherungsbeiträgen bemerkbar werden wird, die noch vor der Wahl beschlossen wurde. Der Punkt ist: Der große Teil der roten Kritik geht in der Öffentlichkeit ins Leere, weil es die günstige Konjunktur- und Budgetlage der vergangenen Jahre erlaubt, Arbeitnehmer und Unternehmer zu entlasten. Wirklich harte Einschnitte wie die geplante Abschaffung der Notstandshilfe, welche die ÖVP und FPÖ noch avisiert hatten, finden sich im Programm der neuen Koalition außerdem nicht.

Schwerer Stand

Die FPÖ hat ebenso einen schweren Stand. Sie spielt natürlich die Migrationskarte aus, Herbert Kickl sprach davon, dass nun die "Zuwanderungsbefürworter" regieren würden. Doch gerade auf dieser Flanke passt Kanzler Sebastian Kurz auf. Er hat im Koalitionsabkommen die Beibehaltung der harten Linie in Migrationsfragen durchgesetzt, da bleibt also im Moment wenig übrig für die FPÖ. Zugleich wirken die Freiheitlichen wenig glaubhaft, wenn sie über einen Linksruck lästern, sich aber zugleich damit brüsten, die Idee für die Sicherungshaft gehabt zu haben, die nun auch Türkise und Grüne wollen. Bleiben die Neos. Für die Pinken gibt es viele Themen, die sie beackern können, angefangen bei der Nichtabschaffung der kalten Progression bis hin zur Aufgabe grüner Positionen, etwa was den Einsatz für Asylwerber betrifft, die eine Lehre machen.

Bloß wird die Arbeit auch für Neos schwieriger. Viele Anhänger von ÖVP und Grünen sind potenzielle Neos-Wähler von morgen. Die Übereinstimmung der Anhänger der drei Parteien ist zumindest in urbanen Wählerschichten groß. So hart wie gegen Türkis-Blau können die Neos also nicht feuern.

Hinzu kommt, dass in der türkis-blauen Regierungszeit die Opposition oft gemeinsam Druck machen konnte. Das verdankte sie den rechtsextremen "Einzelfällen" der FPÖler, aber auch Angriffen gegen rechtsstaatliche Prinzipien seitens Innenminister Kickl, siehe BVT-Affäre. Die Opposition konnte damit die Kanzlerpartei ÖVP in die Pflicht nehmen, nach dem Motto: Mit wem habt ihr euch da eingelassen? Diese für die Opposition komfortable Konstellation gibt es nicht mehr. Sie wird sich etwas überlegen müssen. (András Szigetvari, 7.1.2020)