Die 40-Stunden-Woche hat für viele ausgedient. Mit verkürzter Arbeitszeit wird weltweit experimentiert.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Helsinki – In den vergangenen Tagen hat in Deutschland und Großbritannien eine Meldung aus Finnland für viel Aufsehen und Blätterrauschen in der Medienbranche gesorgt. Den Berichten zufolge will die finnische Ministerpräsidentin, die 34-jährige Sozialdemokratin Sanna Marin, eine Vier-Tage-Arbeitswoche und einen Sechsstundentag einführen. Marin wolle eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit testen und ihren Landsleuten dadurch zu mehr Lebensqualität verhelfen, hieß es da sinngemäß.

In Finnland stieß das plötzliche Interesse des Auslands an diesem Thema auf überraschtes Erstaunen. Fußten doch die Artikel – unter anderem im Guardian, in der Daily Mail, The Sun und den deutschen Medien Die Welt, Bild, und Stern – allesamt auf einer Aussage Marins vom August 2019. Damals war Marin noch Ministerin für Verkehr und Information unter ihrem Vorgänger als Regierungschef, Antti Rinne. Sie brachte das Thema kürzere Arbeitszeiten im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur 120-Jahr-Feier der finnischen Sozialdemokratie zur Sprache. Bereits am Dreikönigstag stellte die Tageszeitung Helsingin Sanomat klar, dass sich in der internationalen Berichterstattung einige Faktenfehler eingeschlichen hatten.

Bloß eine Idee

So hatte Marin niemals konkrete Schritte in Richtung einer künftigen Arbeitszeitverkürzung unternommen und lediglich die Möglichkeit einer Viertagewoche oder auch eines Sechsstundentags in den Raum gestellt. Am Dienstag reagierte auch die Regierungskanzlei in Helsinki auf die im Ausland aufgeflammte Mediendebatte. Sie stellte via Kurznachrichtendienst Twitter klar, dass die Einführung kürzerer Arbeitszeiten im Regierungsprogramm der Sozialdemokraten, Zentrumspartei, Grünen, Linkspartei und der liberalen Schwedischer Volkspartei nicht enthalten ist.

Bereits im vergangenen Sommer hatten Vertreter der finnischen Wirtschaft sowie der Opposition Marins Ideen scharf kritisiert. Die damalige Ministerin stellte im Nachhinein klar, dass ihre Vision von verkürzten Arbeitszeiten "vielleicht heute noch Utopie ist, aber in der Zukunft Wirklichkeit werden könnte". Für die Einführung verkürzter Arbeitszeiten hatte sich in den vergangenen Jahren vor allem die finnische Linkspartei starkgemacht. Sowohl 2016 als auch zu Jahresbeginn 2019 hatte die Linkspartei einen Testlauf mit verkürzten Arbeitszeiten in Finnland gefordert.

Keine Arbeitszeitverkürzung

Diese Vorschläge liegen seither auf Eis. In ihrem Tweet vom Dienstag betonte die finnische Regierung, dass derzeit keinerlei Aktivitäten in Richtung kürzere Arbeitszeiten geplant seien. Seit ihrem Wechsel an die Regierungsspitze im vergangenen Dezember hat Sanna Marin auch selbst die heiße Kartoffel Arbeitszeitverkürzung nicht mehr aufgegriffen.

Diskutiert wird das Thema auch hierzulande. Die heimische Arbeitsbevölkerung will laut Arbeiterkammer-Umfrage maximal 36 Stunden pro Woche arbeiten – tatsächlich sind es durchschnittlich 38,2 Stunden. Auch deshalb forderte die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner die Viertagewoche als Rechtsanspruch. In Österreich ist arbeitsrechtlich schon einiges an Flexibilität möglich. Einzelne Branchen haben beispielsweise eine Freizeitoption im Kollektivvertrag ermöglicht. (Andreas Stangl, 8.1.2020)