Angela Merkel (Mitte) ist zwar nicht der größte Fan von Sebastian Kurz, ganz kalt dürfte sie der Antritt von dessen Regierung in Wien aber auch nicht lassen.

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An seine Freunde denkt man auch in stressigen Zeiten. Im konkreten Fall also, während man auf der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im bayerischen Seeon von Termin zu Termin hetzt. Kaum war die neue türkis-grüne Regierung in Österreich angelobt, da gratulierte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder Sebastian Kurz schon auf diversen Social-Media-Kanälen.

Angela Merkel postete derweil in Berlin Bilder vom Empfang der Sternsinger bei ihr im Kanzleramt. Ein so großer Fan von Kurz ist sie ja – im Vergleich zu Söder – nicht. Dennoch: Der türkis-grüne Start in Wien wird auch in der CDU aufmerksam verfolgt. Schließlich bekommt Österreich nun jene Regierung, die auch in Deutschland immer wieder als Option genannt wird.

Vor allem den Konservativen gilt Kurz als Vorbild: hart in der Migrationspolitik und nun auch noch Klimaschützer. In dieser Rolle gefällt sich vor allem Söder. Er legte in den vergangenen Monaten in der Ökopolitik eine vielbeachtete Wende hin und gab der CSU einen grüneren Anstrich, inklusive mehr Schutz für die Bienen.

Grüne Parteien nicht vergleichbar

Ob er die neue Regierung in Wien als Vorbild sehe, wurde Söder in der "Bild am Sonntag" gefragt. Seine Antwort: "Leider" seien die deutschen Grünen mit den österreichischen nicht vergleichbar. Einen "klaren Kurs in der inneren Sicherheit" zu vereinbaren wäre mit der deutschen Ökopartei "unmöglich".

Doch ein bisschen mehr Strahlkraft und Aufbruch im Berliner Kabinett wünscht sich Söder schon, daher stellte er im selben Interview eine Forderung auf, die für viele Diskussionen sorgt. Der CSU-Chef will neue Köpfe in der Regierung. "Das ist wie im Fußball: In der zweiten Halbzeit verstärkt man sich mit neuen und frischen Kräften. Wir sollten daher bis Mitte des Jahres das Regierungsteam verjüngen und erneuern. Denn es braucht Aufbruchstimmung", meint er.

Wen genau er im Blick hat, verriet er nicht. Prioritäre Themen müssten aber für die Union "Innovation und Wirtschaft" sein, so Söder. Viele sehen damit Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Forschungsministerin Anja Karliczek angezählt, sie gelten seit längerem als Wackelkandidaten in Merkels Team.

Allerdings, so munkelt man selbst in der CSU, könnte Söder seine Aussage auch auf Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gemünzt haben. Der steht wegen des Mautdebakels schwer unter Druck. Offiziell hält Söder noch zu Scheuer, das könnte sich aber bei möglichen Verlusten bei den bayerischen Kommunalwahlen im Frühjahr rasch ändern.

Merkel hält nichts von einer Kabinettsumbildung, CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen erklärte am Dienstag, bei ihrem Besuch in Seeon, das sei "eine Möglichkeit", die man im Laufe des Jahres besprechen werde. Überhaupt demonstrierten Söder und "AKK" am Chiemsee große Harmonie. Man werde natürlich "alle wichtigen Personalfragen, auch die wichtigste", gemeinsam entscheiden, betonte Söder.

Kanzlerkandidatur gemeinsam klären

Gemeint ist damit natürlich die Frage der Kanzlerkandidatur. Wie schnell dies passieren muss, ist derzeit noch unklar. Merkel selbst will bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben. Viele in Berlin aber rechnen mit einem Ende der Koalition im Jahr 2020.

Zwar haben es die neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans mit einem Austritt aus der großen Koalition nicht mehr so eilig, wie es zunächst den Eindruck hatte. Doch sie stellen neue Forderungen auf, die bei der Union nicht gut ankommen: Weniger Rüstungsexporte, Tempo 130 auf Autobahnen und höhere Steuern für Grundbesitzer.

Einig sind sich Kramp-Karrenbauer (als Verteidigungsministerin) und Außenminister Heiko Maas (SPD) jedoch in einer Sache: Wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran zieht Berlin seine 32 Bundeswehrsoldaten aus dem Irak ab. Sie werden nach Jordanien gebracht. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.1.2020)