Die Grünen waren nicht im Nationalrat vertreten, als die ÖVP gemeinsam mit SPÖ und FPÖ die Hacklerregelung beschloss. Nun will Türkis-Grün die abschlagsfreie Frühpension wieder abschaffen.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Ein teures Wahlzuckerl der SPÖ dürfte der jüngst angelobten türkis-grünen Regierung bald wieder zum Opfer fallen. Kurz vor der Nationalratswahl hatten die Sozialdemokraten einen vom Gewerkschaftsbund (ÖGB) initiierten Antrag, wonach Männer nach 45 Beitragsjahren mit 62 abschlagsfrei in Pension gehen können, eingebracht. Unterstützt wurde die SPÖ dabei von den Freiheitlichen. Aber auch die ÖVP hatte damals zähneknirschend zugestimmt. Die Regelung war in einem Gesamtpaket aus Steuerreform und Pensionsanpassung verpackt. Die Grünen waren damals im Nationalrat nicht vertreten.

Sebastian Kurz zur Hacklerregelung ab Minute 34:41.
ORF

Diese "Husch-pfusch-Aktion so mancher Parteien im Wahlkampf" will Kanzler Sebastian Kurz nun rückgängig machen. Am Dienstag sagte er in einem ORF-Interview, dass die Regierung die sogenannte Hacklerregelung überarbeiten werde: "Wir müssen uns sicherlich anschauen, wie wir das reparieren können."

Berüchtigte Vorgängerregelung

Die Hacklerregelung sei zu teuer, warnten und warnen Kritiker aus unterschiedlichen politischen Lagern. Sie belaste das Pensionssystem über Gebühr. Zwar ist die Version vom vergangenen September deutlich moderater als ihr Vorgänger von 2008. Damals wurden – übrigens auch im September – in einer berüchtigten Parlamentssitzung Pensionen erhöht und die Hacklerregelung beschlossen.

Allerdings war der Pensionsantritt damals bereits mit 60 möglich, anders als heute konnten Zeiten für Ausbildung, Präsenz- und Zivildienst in die 45 Arbeitsjahre eingerechnet werden. Die Ausgaben für das Pensionssystem sind damals explodiert.

Gegenteil von Kurz' Plänen

Dass es erneut so kommt, will Türkis vermeiden. Frühpensionierungen gehen gegen die Pläne des Kanzlers. "Was es braucht in unserem Pensionssystem, ist die schrittweise Steigerung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters", sagte Kurz im ORF-Interview. "So können wir die Pensionen finanziell sichern, damit die Menschen genug Pension bekommen, um davon leben zu können."

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler sekundierte Kurz am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal". Er stößt sich besonders daran, dass die Hacklerregelung nur Männern zugutekommt. "Ich würde mir wünschen, dass andere Gruppen im österreichischen Pensionssystem bevorzugt bessergestellt werden, zum Beispiel die Frauen, die ganz, ganz niedrige Pensionen bekommen", so Kogler. Frauen profitieren nicht von der Regelung, weil sie ohnehin mit 60 in Pension gehen können.

Nicht oberste Priorität

Nach dem ersten Ministerrat der neuen Regierung am Mittwoch wiederholte Kogler seine Bedenken bezüglich der Hacklerregelung. Allerdings stünde die Rücknahme auf der Prioritätenliste nicht ganz oben. Man werde sich die Sache im Lauf des Jahres ansehen.

Der ÖGB teilt Koglers Position, die Pensionen von Frauen anzuheben. Allerdings stehe dies in keinem Widerspruch zur Hacklerregelung, heißt es in einer Aussendung des Gewerkschaftsbundes: "Koglers Ansatz, die sogenannte Hacklerregelung wieder abschaffen zu wollen, weil sie ausschließlich Männern zugutekommt, ist der vollkommen falsche Weg. Das wäre ein Schritt zurück statt vorwärts."

FPÖ und SPÖ orten Anschlag auf Arbeitnehmer

Die FPÖ bedauert die türkis-grünen Pläne zur Hacklerregelung. Diese wieder abzuschaffen sei eine "unfaire und unsoziale Aktion gegenüber fleißigen Österreichern", schrieb FPÖ-Chef Norbert Hofer in einer Aussendung. Der freiheitliche Klubchef Herbert Kickl ortete in der möglichen Abschaffung der Hacklerregelung gar einen "Anschlag auf die Arbeitnehmer".

Ähnlich die Wortwahl des SPÖ-Sozialsprechers: "Dass die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren das erste ist, das von Kurz und Kogler abgeschafft werden soll, ist ein schwerer Anschlag und eine schwere Verunsicherung aller ArbeitnehmerInnen im Land", schrieb Josef Muchitsch am Mittwoch in einer Aussendung.

Ähnliches Wording, andere Schlagrichtung bei den Neos: Für diese ist die Hacklerregelung ein "Anschlag auf die kommende Generation". Der pinke Sozialsprecher Gerald Loacker freute sich in einer Aussendung, dass die neue Regierung die abschlagsfreie Frühpension reparieren möchte. "Jetzt muss die ÖVP den selbst beschlossenen Fehler reparieren, der zukunftsvergessene Populismus rächt sich bitter", so Loacker.

Lob von Junger Industrie

Der türkise Finanzminister Gernot Blümel sagte am Rande des Ministerrats, dass man sich zuerst einmal ansehen wolle, welche Auswirkungen die Hacklerregelung auf das Budget hat. Auf eine Abschaffung wollte er sich noch nicht festlegen.

Erfreut über die Pläne zeigte sich dagegen die Junge Industrie (JI). "Die Abschaffung der Abschläge bei Frühpensionen war einfach nur bescheuert. Eine Rücknahme dieser rein populistisch motivierten Maßnahme wäre ein sehr begrüßenswerter Schritt im Sinne der Generationengerechtigkeit", so der Bundesvorsitzende der JI, Andreas Wimmer. (luis, 8.1.2020)