Beteigeuze ist nah und groß genug, dass er von Teleskopen flächig aufgenommen werden kann. Das Bild mit der bislang höchsten Auflösung stammt vom Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in Chile.
Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/E. O’Gorman/P. Kervella

Garching – Einer der prominentesten Sterne am Himmel befindet sich offenbar gerade in einer interessanten Phase: Der riesenhafte Beteigeuze im Sternbild des Orion hat seit Oktober mehr als die Hälfte seiner Helligkeit eingebüßt. Seine Leuchtkraft hat zwar stets geschwankt – die Ursache für diesen extremen Helligkeitsverlust ist aber noch unbekannt, berichtet der Astronom Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München. An eine unmittelbar bevorstehende Supernova glaubt er jedoch nicht.

Ein Roter Überriese

Der nach jüngsten Berechnungen etwa 640 Lichtjahre von uns entfernte Beteigeuze ist von der Erde aus mit bloßem Auge als heller roter Punkt erkennbar. Er zählt zur Klasse der sogenannten Roten Überriesen, den Sternen mit dem größten Volumen im bekannten Universum. So hat Beteigeuze rund den tausendfachen Durchmesser unserer Sonne – allerdings "nur" etwa die zwanzigfache Masse.

Rote Überriesen gehen aus Hauptreihensternen hervor, deren Masse zehn- bis dreißigmal höher als die der Sonne ist. Am Ende ihres ersten Lebens blähen sich diese Sterne zu Giganten auf, die in unserem Sonnensystem bis zur Bahn des Jupiter reichen würden. Während dieses nur wenige Millionen Jahre dauernden zweiten Stadiums sind sie vergleichsweise kühl, aber zigtausende Mal heller als die Sonne. Zumindest ein Teil dieser Sterne endet schließlich in einer Supernova. Bei Beteigeuze dürfte dies Astronomen zufolge irgendwann in den kommenden 100.000 Jahren der Fall sein.

Da man Beteigeuze schon so lange kennt, ist er in verschiedene Mythologien eingeflossen (die Übersetzungen seines arabischen Namens reichen von "Hand der Riesin" bis zu "Schulter des Riesen"), aber auch in die Populärkultur: Er wird in Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" ebenso genannt wie in Pierre Boulles mehrfach (und stets recht frei) verfilmtem Buch "Der Planet der Affen", in Frank Herberts "Dune"-Reihe oder in H. P. Lovecrafts "Cthulhu"-Mythos. Der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt bezog sich in den physikalischen Abhandlungen seiner Erzählung "Leviathan" auf Beteigeuze, und US-Regisseur Tim Burton verballhornte die englischsprachige Version des Namens (Betelgeuse) in seinem gleichnamigen Film zu "Beetlejuice".

Vertraute und neue Schwankungen

Seit Beteigeuze beobachtet wird, hat die Helligkeit des Riesen in zwei unregelmäßigen Zyklen, die jeweils knapp sechs Jahre und etwa 425 Tage dauern, geschwankt. "Wir wissen nicht genau, was die Variabilität von Beteigeuze ausmacht", sagt Janka. Möglicherweise schluckten unter anderem vom Stern ins All geblasene Materiewolken vorübergehend das Licht des Sterns.

Jetzt scheint es Beteigeuze aber zu übertreiben: Im Dezember hatten Forscher um Edward Guinan von der Villanova-Universität in den USA die geringste Helligkeit seit den ersten derartigen Messungen vor knapp hundert Jahren gemeldet. Die auffällige Schwächeperiode scheine daher zu rühren, dass beide beobachteten Aktivitätszyklen des Sterns gleichzeitig ein teils ungewöhnlich tiefes Minimum erreicht hätten, schrieben die Forscher im "Astronomer"s Telegram".

Vermutlich ist es noch nicht so weit

Prompt kursierten im Internet Spekulationen über eine unmittelbar bevorstehende Supernova-Explosion. Das hält Janka aber nicht für plausibel, weil die Sternhülle vom Kern entkoppelt sei: "Die Helligkeit der Hülle ist unabhängig vom Kern." Wenn sich überhaupt eine Veränderung bemerkbar mache, sei eher zu erwarten, dass der Rote Überriese vor einer Supernova-Explosion heller werde. "Beteigeuze ist ein Supernova-Kandidat, aber wann es so weit ist, lässt sich momentan nicht vorhersehen", so Janka. "Es kann in ein paar Jahren, in ein paar Jahrhunderten oder in ein paar Jahrtausenden so weit sein."

Wenn eines Tages wirklich die Stunde für den Stern schlägt, werden wir es allerdings – mit ein paar Jahrhunderten Verspätung – nicht übersehen können: Astronomen schätzen, dass diese nahe Supernova so hell wie der Vollmond und auch am Tag sichtbar sein wird. (jdo, APA, 8. 1. 2020)