Entfesselt "In der Strafkolonie": Sören Kneidl erforscht Gewalt und Grusel.

Die schlechten Träume Franz Kafkas haben der Weltliteratur der Moderne noch einmal neue Seiten aufgezeigt. Zu den härtesten Texten seines vom Zustand intensiver Gefangennahme gebannten literarischen Kosmos gehört die Erzählung In der Strafkolonie (1914). Darin geht es – ähnlich wie in Der Prozess – um absurde Gerichtsbarkeit. Besonderes Merkmal dieser auf einer nicht näher beschriebenen Insel betriebenen Strafkolonie ist es, den Sträflingen mittels Folterapparatur ihre Vergehen in den Körper einzuritzen, auf dass sie sich dieser Vergehen stets bewusst bleiben.

Ein Faible für makabere Stoffe

Die Apparatur, mit der die Verurteilten schlussendlich zu Tode gefoltert werden, wird einem Forschungsreisenden "in Betrieb" vorgeführt. Einem offenbar untreuen Soldaten soll der Schriftzug "Ehre deinen Vorgesetzten" eingraviert werden. Der Wissenschafter ist entsetzt. Das ist harter Tobak und wurde von einigen Zeitgenossen Kafkas auch mit Ablehnung quittiert – scheint aber wie gemacht zu sein für Sören Kneidl. Der Schauspieler und Theatermacher hat ein Faible für makabere Stoffe. Im Volkstheater Wien, wo er bereits mit Frankenstein vorstellig wurde, bringt er In der Strafkolonie nun zur Aufführung. Premiere ist am 9. Jänner im Volx/Margareten in Wien. Gattung: Live-Hörspiel.

Kneidl, ausgebildet an der Wiener Musik- und Kunst-Privatuniversität, erforscht die dem Text innewohnende Gewalt und den Gruselfaktor auf insbesondere tonaler Ebene. Er tut dies erneut im Trio mit den Jazzmusikern Lukas Böck (Schlagzeug) und Robin Gadermaier (Bass). Indes bekommt man beim Live-Hörspiel nicht einfach nur das verkabelte Studio-Setup zu sehen.

Es geht um die Spannung des "sichtbar" gemachten Tons und letztlich auch um das Schauspiel an den Turntables. (Margarete Affenzeller, 8.1.2020)