Vom Säbelrasseln im Nahen Osten akut bedroht: das 2.500 Jahre alte Relief in der antiken Residenzstadt Persepolis.

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Zwischen dem Iran und den USA ist ein Streit entbrannt, der zunehmend aus den Fugen gerät. Was als Nächstes geschieht, scheint ungewiss. Nachdem die USA vergangene Woche den iranischen General Ghassem Soleimani durch einen gezielten Raketenangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet hatten, schwört der Iran Rache. Darauf reagierte US-Präsident Donald Trump vergangenen Samstag mit einer Warnung: Die USA habe 52 iranische Ziele darunter Kulturstätten von hohem kulturellem Wert im Visier und werden diese im Fall eines Vergeltungsschlags zerstören – und zwar "sehr schnell und sehr hart", schrieb Trump auf Twitter.

Dabei ist die Zahl eine symbolische – sie steht für die 52 Amerikaner, die 1979 während der Iranischen Revolution in der US-Botschaft in Teheran als Geiseln genommen wurden. Tatsächlich handelt es sich um 22 Orte im Iran, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. Darunter Isfahan mit ihrem bedeutenden Naqsh-e-Jahan-Platz oder die antike Residenzstadt Persepolis. Aber auch andere historisch und kulturell wertvolle Stätten wie die Pinke Moschee von Nasir ol-Molk in Shiraz wären in Gefahr.

Barbarische Äußerungen

Seitdem schlägt Trumps Drohung, die er in einem einzigen Satz via Twitter verbreitete, hohe Wellen. Es hagelte scharfe Kritik seitens anderer Staaten und der UN-Kulturorganisation Unesco, die kulturelle Fachwelt ist empört. Trumps Äußerungen werden als "barbarisch" bezeichnet.

Obwohl für die Kunstwelt eher unüblich, beziehen auch internationale Kultureinrichtungen öffentlich Position. So warnt die Association of Art Museum Directors, zu der über 200 Museen aus den USA, Mexiko und Kanada zählen, vor den Drohungen aus Washington. Auch Max Hollein, Direktor des Metropolitan Museum of Art in New York, erinnert in einer öffentlichen Stellungnahme an die globale Dringlichkeit, Kulturstätten und Weltkulturerbe zu schützen – gerade in Zeiten wie diesen. Unter dem Hashtag #IranianCulturalSites wird auf Instagram zum Schutz kultureller Güter aufgerufen. Und nicht zuletzt äußert das International Council of Museums (Icom), das den Schutz von Kulturerbe weltweit repräsentiert, pflichtgemäß Besorgnis.

Die Geschäftsführerin von Icom Österreich, Elke Kellner, betont die essenzielle Bedeutung kultureller Güter, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. "Diese gehören nicht nur einem einzelnen Staat, sondern der ganzen Welt." Werden solche zerstört, können sie nicht wieder aufgebaut werden. Sie sind für immer verloren.

Trump und die Taliban

Anfang der Woche distanzierte sich das Pentagon in Washington und auch der US-Präsident selbst doch noch von seiner Drohung. Es sei für ihn "okay", sich an internationales Recht zu halten, er befolge gern Gesetze.

Denn ein tatsächlicher Angriff auf Kulturstätten eines anderen Staates hätte fatale Folgen, da dieser einem kriegerischen Angriff gleichkäme und gegen die Haager Konvention verstoßen würde. Diese sichert seit 1954 den Schutz für kulturelles Gut im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung, meint der Ex-Direktor des Weltkulturerbezentrums der Unesco, Francesco Bandarin.

Auch wenn die USA seit etwa zwei Jahren kein Mitglied der Unesco mehr sind, bleiben sie – genauso wie der Iran – vertraglich verpflichtet, kulturelle Stätten zu schützen. Erst 2017 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die United Nations Security Council Resolution 2347, die "die unrechtmäßige Zerstörung von Kulturerbe" verbietet.

Diese wurde insbesondere nach den Angriffen der Terrororganisation IS in Syrien und im Irak aktiv, wo in den vergangenen Jahren antike Kulturstätten wie Palmyra, Hatra und Nimrud zerstört wurden. Auch die Taliban vernichteten 2001 die Buddhas in Bamiyan, und während des Irakkriegs wurde das Nationalmuseum in Bagdad geplündert. Trumps Vorhaben wird mit den Taten terroristischer Gruppen sowie militärischer Aktionen im Zweiten Weltkrieg oder dem Jugoslawienkrieg verglichen.

Der wunde Punkt

"Die gezielte Zerstörung von Kulturgut im Zuge bewaffneter Konflikte zieht sich als Konstante durch die Menschheitsgeschichte", so Sabine Haag, die auch Präsidentin der österreichischen Unesco-Kommission ist. Hier Parallelen zu ziehen sei allerdings schwierig, sagt Elke Kellner, die auch als Cultural-Heritage-Expertin bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa tätig ist. "Dennoch geht es in allen Fällen um 'cultural cleansing'" – also die bewusste Auslöschung, die als Form extremer Gewalt eingestuft wird.

Dass Kulturstätten immer wieder zu militärischen Zielen werden, liege daran, dass man damit die Kultur eines Landes angreift. Wenn Orte wie Persepolis als eine der letzten antiken Stätten des Persischen Reichs vernichtet werden, gehe es nicht nur um Steine. "Da geht es um die kulturelle Identität des Iran." (Katharina Rustler, 9.1.2020)