Im Gastkommentar ruft die Mobilitätsexpertin Lydia Ninz die neue Regierung dazu auf, rasch Taten zu setzen und die Hersteller zur Kasse zu bitten.

Beim Dieselskandal kann die neue türkis-grüne Regierung gleich beweisen, ob sie Ökologie und Ökonomie unter einen Hut bringen kann und ob Transparenz mehr ist als nur ein Wort. Hier haben wir es schließlich mit einem veritablen Umwelt- und Gesundheitsproblem sowie mit einem Betrugsfall zu tun, die keineswegs gelöst sind.

Diese Autos kurven längst auf den Straßen herum. Drei bis zehn Jahre alte Diesel-Pkws sauber zu machen bringt eine schlagartige Verbesserung von Gesundheit wie Umwelt und hilft dem Mittelstand.
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Fakt ist: Die meisten Diesel-Pkws stoßen krass mehr Schadstoffe aus als erlaubt, weil die eingebauten Abgasreinigungssysteme auf der Straße teilweise oder komplett ausgeschaltet wurden. Die Software-Updates, zu denen die manipulierten Fahrzeuge gezwungen wurden, haben wenig bis gar nichts dazu beigetragen, diese schädlichen Abgase zu senken. Das wurde nicht nur in x Straßentests der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und ihres Technikdoyens Axel Friedrich nachgewiesen. Dies zeigt sich auch in der amtlichen Statistik des Umweltbundesamts: Im Schnitt schleudern zehn bis fünf Jahre alte Diesel-Pkws (Euro 5) rund 900 Milligramm pro Kilometer (mg/km) an Stickoxid (NOx) in die Luft. Dies ist fünfmal mehr, als der gesetzliche Grenzwert von 180 mg/km vorgibt. Auch Euro-6-Dieselfahrzeuge überschreiten bei weitem ihren Grenzwert.

Sauberere Luft

Diese Fahrzeuge mit illegal hohen Abgasen kurvten und kurven seit Jahren ungestört auf unseren Straßen herum und werden, wenn nichts passiert, weiterhin jahrelang Menschen und Umwelt schädigen. Denn in Verbindung mit Feinstaub greift NOx direkt die Lungen und indirekt das Herz-Kreislauf-System der Menschen an, mit Kindern, Kranken und älteren Menschen in verkehrsnahen Gegenden als vorrangigen Opfern.

Eine rasche Senkung der viel zu hohen Abgasemissionen ist ein Gebot der Stunde, gerade aus Sicht der Grünen und aller, die es mit der sauberen Luft ernst meinen. Die einzige Möglichkeit, die manipulierten Diesel sauberer zu machen, ist der nachträgliche Einbau von Abgasreinigungsanlagen, die sogenannte Hardware-Nachrüstung. Mehrere Straßentests der DUH, aber auch der deutschen Autofahrerorganisation ADAC konnten nachweisen, dass die NOx-Emissionen dadurch um bis zu 95 Prozent gesenkt werden können, sodass sie sogar unter den Grenzwert fallen. In Deutschland gibt es schon zertifizierte Hardware-Nachrüstungen. Saubere Autos hätten ja weder Fahrverbote noch Wertminderung zu befürchten.

Erfreulicherweise ist im neuen Regierungsabkommen von einer "Initiative der Bundesregierung" zu lesen, "für die rasche, durch Beiträge der Hersteller für Fahrzeugeigner und -eignerinnen kostenfreie Hardware-Nachrüstung von herstellerseitig abgasmanipulierten Dieselfahrzeugen, im Sinne der Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen". Kostenfrei für die Autokäufer klingt gut. Auch das Wort "rasch" nährt die Hoffnung, die das Wort "Initiative" gleich wieder dämpft. "Beiträge" lässt offen, wer tatsächlich zahlt.

Dennoch: Ein neuer Weg steht offen, der unter Türkis-Blau noch völlig blockiert worden war. Die neue Regierung wäre gut beraten, hier rasch Taten zu setzen und die Hersteller zur Kasse zu bitten, die schließlich jahrzehntelang von ihrem Betrug profitiert haben. Drei bis zehn Jahre alte Diesel-Pkws sauber zu machen bringt nicht nur eine schlagartige Verbesserung von Gesundheit und Umwelt vor Ort, sondern auch zusätzliche Aufträge für mittelständische Kfz-Betriebe, sofern man den Einbau der Hardware nicht auf konzerneigene Kfz-Werkstätten beschränkt. Auch der Teilehandel und die Zulieferer könnten davon profitieren, Arbeitsplätze sichern oder neu schaffen.

Ökologie und Ökonomie – messen wir die Neuen dran, ob sie das Beste aus beiden Welten bei der Hardware-Nachrüstung tatsächlich auf den Boden bringen.

Gutachten veröffentlichen

Nun zur versprochenen Transparenz. Auch hier könnte Türkis-Grün ein rasches Exempel statuieren. Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, dass die Republik Österreich mit der Porsche-Holding einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen und für 2100 Polizeiautos jedenfalls Millionen Euro kassiert hat. Über diesen Vergleich wurde der Mantel des Schweigens gebreitet, den DER STANDARD mit seinem Exklusivbericht zum Glück gelüftet hat. Massive Kritik kam vom ÖAMTC und vom Verbraucherschutzverein (VSV). Geht’s noch? Der Staat kassiert und lässt die einfachen Bürgerinnen und Bürger im Stich, denen genau dasselbe passiert ist und die sich ebenfalls als Privatbeteiligte dem Strafverfahren gegen VW angeschlossen hatten.

Das Mindeste ist, wenigstens jenes Sachverständigengutachten zu publizieren, mit dem es gelungen ist, den Konzern in die Enge zu drängen. Das wäre ein klares Zeichen neuer Transparenz und könnte auch allen helfen, die Einzelklagen oder Sammelklagen gegen den Konzern eingebracht haben oder einbringen werden. (Lydia Ninz, 9.1.2020)