Wildkatzen sehen getigerten Hauskatzen zum Verwechseln ähnlich. Nur mithilfe genetischer Analysen können sie eindeutig nachgewiesen werden – keine leichte Aufgabe.
Foto: Wolfgang Schruf

Wer jemals das Glück haben sollte, einer Wildkatze zu begegnen, bekommt es vielleicht gar nicht mit, denn er oder sie hat gute Chancen, sie mit einer wildfarbigen Hauskatze zu verwechseln. Die beiden Arten sehen einander nämlich extrem ähnlich. Im Unterschied zu den Stubentigern jedoch gilt die Wildkatze in Österreich als "regional ausgestorben, ausgerottet oder verschollen". Es gibt zwar immer wieder einzelne Nachweise, aber niemand kann mit Sicherheit sagen, ob es eine eigenständige heimische Population gibt. Eine Koordinations- und Meldestelle sammelt seit zehn Jahren alle Hinweise auf die scheuen Tiere, und eine eigene Arbeitsgemeinschaft sucht mit verschiedenen Methoden nach Beweisen für ihre Anwesenheit. Es mangelt aber – wie so oft – am Geld.

Der Niedergang der Wildkatze in Österreich begann bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Da gab es im ursprünglich recht dicht mit Wildkatzen besiedelten Niederösterreich nur noch spärliche Vorkommen. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es noch einzelne Fänge, etwa bei Lilienfeld oder am Bisamberg; dann war Schluss. In Kärnten und in der Südsteiermark hielt sich die Art länger: Hier gab es offenbar noch bis einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Tiere, doch seitdem kommen auch von dort keine kontinuierlichen Nachweise mehr.

Wildkatzen-Hotspots

2009 wurde besagte Koordinations- und Meldestelle gegründet, die alle Wildkatzenmeldungen in Österreich sammelt und bewertet, ebenso wie die Plattform Wildkatze, in der verschiedenste Organisationen und Experten zusammenarbeiten, um den aktuellen Status der Art zu erheben und sie wieder bei uns heimisch zu machen. Da die Verwechslungsgefahr mit grau-beige getigerten Hauskatzen sehr groß ist, genügen Sichtungen nicht als Nachweis für die Anwesenheit einer Wildkatze.

Stattdessen setzt man bei der Plattform Wildkatze auf Fotofallen und Lockstöcke. Letztere sind angeraute Holzpflöcke, die mit einem Lockstoff versehen und in die Erde gesteckt werden. Die Katzen reiben sich daran und hinterlassen dabei Haare, durch die sich ihre Art genetisch und damit zweifelsfrei nachweisen lässt.

Ingrid Hagenstein vom Naturschutzbund Österreich, die sowohl die Koordinations- und Meldestelle als auch die Plattform Wildkatze leitet, sieht die besten Chancen auf eine heutige Wildkatzen-Population im Nationalpark Thayatal, in Kärnten und in der Wachau: Im Gebiet um Weißenkirchen haben Fotofallen nördlich und südlich der Donau vielversprechende Bilder geliefert, deren Auswertung allerdings noch im Gange ist. "Das ist ein Wildkatzen-Hotspot", ist Hagenstein überzeugt, "und hier kann es sich auch nicht um Tiere handeln, die nur gelegentlich aus den Nachbarländern zu uns kommen."

Apropos Nachbarländer: In Deutschland geht es der Wildkatze deutlich besser als bei uns. Dort war sie nicht nur nie ausgestorben, sie wird auch seit Jahren nach Kräften und mit Erfolg gezielt geschützt und gefördert. So wurde etwa in Thüringen die Autobahn A4 verlegt, um einen durchgängigen Korridor für Wildkatzen zu ermöglichen. Basis aller Maßnahmen war unter anderem ein großangelegtes Projekt mit zahlreichen Freiwilligen in ganz Deutschland, das fast 3000 Nachweise der Wildkatze erbrachte.

Fortpflanzungsnachweise

Doch obwohl die Helfer ehrenamtlich arbeiteten, braucht eine solche Aktion viel Geld, wie Hagenstein versichert. Geld, das es hierzulande nicht gibt, weil die Wildkatze als ausgestorben bzw. verschollen gilt. Wäre das nicht der Fall, müssten auch Mittel für ihren Schutz lockergemacht werden. "Deshalb ist es so wichtig, dass wir Nachweise für eine erfolgreiche Fortpflanzung der Wildkatze in Österreich vorlegen können", sagt Hagenstein, denn das ist das wichtigste Merkmal einer eigenständigen Population.

Bei der Suche nach entsprechenden Nachweisen werden auch eigens geschulte Spürhunde eingesetzt. Der Australische Kelpie Sarek ist einer von insgesamt fünf Hunden des kürzlich gegründeten Vereins Naturschutz-Hunde, die darauf trainiert sind, den Kot von Wildkatzen aufzuspüren. Dabei sind Sarek und seine Kollegin Grace Multitalente, denn sie können außerdem auch noch anderes erschnüffeln: Grace ist neben Wildkatzen auch auf Luchse und Trüffeln spezialisiert, und Sarek auf Goldschakale und Borkenkäfer, wie sein Besitzer und Wildkatzenexperte Leopold Slotta-Bachmayr versichert.

Mehr als 460 Meldungen von echten und vermeintlichen Europäischen Wildkatzen sind seit 2009 bei der Wildkatzen-Meldestelle eingegangen, doch nur 21 davon sind genetisch abgesichert. Bei weiteren 41 Hinweisen handelt es sich "höchstwahrscheinlich" um Wildkatzen. Aufgrund der wenigen sicheren Nachweise vermuten die Experten, dass die Zahl der in unseren Wäldern lebenden Wildkatzen relativ klein ist. Die größte Gefahr für sie geht mittlerweile vom Straßenverkehr aus – denn zu den sicheren Nachweisen gehören auch immer wieder Tiere, die von Autos getötet wurden. (Susanne Strnadl, 12.1.2020)