Veronika Glatzner, Alice Peterhans, Wojo van Brouwer und Tamara Semzov (v. li.) sind ein literaturwissenschaftliches Fangrüppchen, Lukas David Schmidt (im Hintergrgund) spielt einen Staudamm-Ingenieur.

Foto: Bettina Frenzel

"Etwas passiert, und schon setzt sich Elfriede Jelinek an ihren Computer und liefert uns etwas dazu", heißt es derzeit im Wiener Kosmos-Theater. Heute arbeitet sich die schreibende Krisenseismografin an Ibiza ab, Anfang der 2000er war es der Gletscherbahnbrand von Kaprun. 155 Menschen sind in den Flammen ums Leben gekommen, die Suche nach Verantwortlichen führte zum Richterspruch, Gott habe im Tunnel für einige Minuten das Licht ausgemacht. Wer also trägt die Verantwortung? Und wer trägt jene für die Zwangsarbeiter und 161 Toten des unter den Nazis begonnenen Staudammbaus von Kaprun? Offene Fragen in Jelineks In den Alpen und Das Werk.

Machen Sie damit, was Sie wollen, hat die Autorin einmal den Regisseuren ihrer Stücke aufgetragen. Claudia Bossard wirft sie in Das Werk einem ironisch überspitzten Grüppchen Germanisten vor. Schmallippig und mit breiten Schulterpolstern (Ausstattung: Elisabeth Weiß) sitzen Veronika Glatzner, Alice Peterhans und Tamara Semzov da und kichern über die selbstverliebten Ergüsse Wojo van Brouwers. Subversion, die Verbindung von Ethik und Trivialem und noch mehr akademisch gestelztes Vokabular werfen sie als Jubelurteile um sich. Begeisterung als auch schiefe Wortspiele kennen keine Grenzen – das Publikum ist amüsiert.

Fetzchenhaft

Allmählich gehen die Debatten zur Autorin über in Jelineks Stücke. Die Textcollage über Größenwahn und Schuld, Erinnerung, Medienaufmerksamkeit und die Natur als Gegner wird während zweier Stunden zunehmend fetzchenhafter und verwirrend. Monologe verschwinden unter Stottern oder Sound (Annalena Fröhlich). Man verweist auf die eingestürzte Brücke von Genua und den ausgebrannten Londoner Grenfell Tower. Ein Kreuzfahrtriese schiebt sich im Kapruner Stausee bald per Video vor den Gletscher, am Ende fallen noch Hochhäuser in sich zusammen.

Schön ist Lukas David Schmidts zarte Version von Junge, komm bald wieder – er spielt den jungen Ingenieur Peter im lebensgefährlichen Staudammgeschäft. Im schnell geschnittenen Durch einander fällt es aber teilweise schwer, mit dem in Bergsteigerschuhen bravourös durch den Abend kraxelnden Ensemble Schritt zu halten. (Michael Wurmitzer, 9.1.2020)