Historische Fassaden können täuschen. Man kann dahinter mit Witz, Farbe und Leichtigkeit wohnen. Das zeigt die Tierärztin und Autorin Tanja Warter in Bregenz.

"Vor drei Jahren sind wir von Salzburg in die Bregenzer Innenstadt gezogen. Aus unserer netten Mietwohnung in einer alten Salzburger Villa wollten wir ausziehen, als ein Projektentwickler das Haus gekauft hat. Beide beruflich nicht ortsgebunden, haben wir den Augenblick für einen Neustart genützt. In Bregenz, der Heimatstadt meines Lebensgefährten, bekamen wir eine super Chance und beschlossen, es mit Eigentum zu versuchen. Die Lust auf das Neue und Selbergestalten war größer als die Bedenken. In nur fünf Monaten war das Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert innen aus- und umgebaut.

Ein Film über Jackson Pollock war der Auslöser für Tanja Warters Küchengestaltung. Das Seil neben dem Sofa ist Trainingsgerät – und ein Renner auf Partys.
Foto: Mark Mosman

Wir haben die beiden Wohn- und Büroetagen zu einer Einheit zusammengelegt und den Dachboden ausgebaut. Wir hatten nur eine wichtige Vorgabe: angenehme Arbeitsplätze für das Home-Office. Sonst sollte das Haus offen für alle möglichen Spinnereien sein. Davor haben wir mit vielen Menschen über Wohnen und Einrichten gesprochen. Und sehr schnell kam da so eine Schwere und Ernsthaftigkeit auf. Irgendwann habe ich mir gedacht: Pfeif drauf, im Endeffekt geht es doch nur um Wohnen. Das kann man doch auch lockerer sehen. Ob die letzte Stufe der Stiege saniert ist oder komisch ausschaut, wen kümmert’s? Perfekte Katalogwohnungen sind mir eher unheimlich.

Das hat die Fachleute etwas irritiert. So hat uns der Architekt noch am Abend vor der Anlieferung angefleht, den Küchenblock nicht so schräg hinzustellen. Ihm hat allein der Blick auf den Plan körperliche Schmerzen bereitet. Inzwischen findet auch er die Küche lustig. Manches ist nicht so vorarlbergerisch solide. Die Leitungsrohre zum Beispiel. Die blieben über Putz und wurden auch noch schwarz angemalt. Mein Lieblingswort in der Bauphase war ,Vorsatzschale‘. Immer wieder haben die Arbeiter gefragt: ,Willst da wirklich keine Vorsatzschale?‘

"Perfekte Katalogwohnungen sind mir eher unheimlich", sagt Tanja Warter.
Foto: Mark Mosman

Unser Bauleiter Reini war fantastisch, der hat uns geraten: ,Tuats net z’ viel planen, denn bei alten Bauten kommt immer was zum Vorschein, mit dem man nicht rechnet.‘ Das ist dann auch eingetroffen. Unterm Strich hat das Unerwartete die ganze Geschichte bereichert, wegen der maroden Wände gehört das Stiegenhaus jetzt zum Wohnraum dazu.

Eine Wohnung zu gestalten, darin hatte ich überhaupt keine Erfahrung. Ich bin zwar x-mal umgezogen, hatte aber immer das Glück, dass schon Möbel da waren, die ich übernehmen konnte. Das erste Mal musste ich mir nun ernsthaft Gedanken machen, wie ich einen Raum einrichten möchte. Eine Küche zum Beispiel. Alle Wände in dieser früheren Dachwohnung sind krumm und schief, also braucht man einen Tischler. Als wir einen Film über Jackson Pollock anschauten, entstand die Idee, die Küchenfronten selbst zu gestalten.

"Das erste Mal musste ich mir nun ernsthaft Gedanken machen, wie ich einen Raum einrichten möchte", sagt Tanja Warter.
Foto: Mark Mosman

Wir haben auf der Baustelle eine Leinwand ausgerollt, Freunde eingeladen und mit ihnen Farben auf das Tuch gespritzt. Das Ergebnis wurde fotografiert, auf Folien gedruckt und von einem Fachmann auf die Küchenschränke geklebt. ,Du wirst dich an der bunten Küche sattsehen‘, wurde ich gewarnt. Stimmt nicht. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Küche anschaue. Weil sie Spaß macht, einzigartig ist und mich zum Schmunzeln bringt, wenn ich mich an unsere Kunstaktion erinnere.

In der Büroetage haben wir so viel wie möglich alt belassen, beispielsweise die Ziegelwände, die unter den Tapeten zum Vorschein kamen. Problematisch waren die Türen. Die waren sehr hochwertig, aber ebenso hässlich. Soll man Brauchbares wegschmeißen, nur weil es hässlich ist? Ein Freund hat uns aus dem Dilemma geholfen und geraten, die Türen schwarz zu streichen. Das macht sich gut!

In der Büroetage kamen unter den Tapeten Ziegelwände zum Vorschein.
Foto: Mark Mosman

Welche Farben bei Möbeln gerade angesagt sind, darüber hatte ich nie nachgedacht. Ich wollte ein rotes Sofa. Dass man das nicht so einfach kaufen kann, hat mich überrascht. Wir ließen das Sofa dann im Bregenzerwald machen. In sieben verschiedenen Rottönen.

Wie Sie sehen, hängt neben dem Sofa ein Seil von der Decke. Eigentlich ist es ein Trainingsgerät, aber auch bei Partys der Renner. Es findet sich immer ein Tarzan, der sich durchs Zimmer schwingt." (13.1.2020)