Im Altbau herrscht große Unsicherheit über die Berechnung des Mietzinses. Die Immobilienwirtschaft wünscht sich hier "dringend" Klarstellungen.

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Nix Genaues weiß man (noch) nicht: Das ist dieser Tage oft die Conclusio von Gesprächen über das türkis-grüne Regierungsprogramm beim Thema Wohnen. Vier Seiten im Kapitel Justiz und Konsumentenschutz drehen sich darum, und zum nicht geringen Erstaunen vieler professioneller Beobachter finden sich hier hauptsächlich gut gemeinte Überschriften, kaum konkret formulierte Maßnahmen.

Viel Spielraum für Verhandlungen

Im Vergleich zum türkis-blauen Programm aus dem Jahr 2017 sind zwar vermehrte Bemühungen für eine stärkere Ökologisierung des ganzen Systems wahrzunehmen, im Großen und Ganzen lässt das aktuelle Programm aber – um es positiv zu formulieren – mehr Verhandlungsspielraum als das letzte, in das ÖVP und FPÖ beispielsweise ein paar ganz konkrete Eingriffe ins bestehende Mietrecht hineingeschrieben hatten, etwa die Abschaffung des Lagezuschlagsverbots im Gründerzeitviertel (was natürlich prompt für Kritik sorgte, letztlich nicht umgesetzt wurde).

ÖVP und Grüne haben nun zwar ein paar sehr vage "Ziele" für das Mietrecht formuliert ("transparent und nachvollziehbar, mit hoher Rechtssicherheit und Rechtsdurchsetzbarkeit"), mit der "Formulierung und Umsetzung koordinierter Maßnahmen" lässt man sich aber Zeit. Mithilfe parlamentarischer Enqueten und Dialogforen soll bis zum Ende der Legislaturperiode das gesamte Wohnrecht (Mietrechts-, Wohnungseigentums-, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, Wohnbauförderungsgesetze der Länder, ABGB) reformiert werden, unter Einbeziehung sämtlicher Stakeholder und der Zivilgesellschaft.

Rechtssicherheit gefordert

Für Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), ist das enttäuschend. Denn im Mietrecht, konkret im Richtwertsystem, seien Schritte "zur Herstellung von Rechtssicherheit" relativ dringend vonnöten, so Holzapfel. Bekanntlich greift in diesem Bereich schon länger die Ungewissheit um sich, vor allem eben auch, was den Lagezuschlag betrifft.

Aus "Textbausteinen" besteht das Wohnprogramm aus seiner Sicht, mit "wenig Spielraum für konkrete Interpretationen". Beim Mietrecht werde aber "immerhin"_auf einen fairen Interessen ausgleich zwischen Mietern und Vermietern hingewiesen – so wie das übrigens auch ÖVP und FPÖ in ihrem Programm von 2017 schon taten.

Wohnbauforscher Wolfgang Amann hält zwar einige Punkte im Klimaschutzkapitel des Programms, etwa das "sozial verträgliche Sanierungsgebot", für bemerkenswert, Wohnen sei aber definitiv "kein wirkliches Kernthema" bei den Verhandlungen gewesen, stellt er fest. Ein fixer Mietendeckel, bisher Kernforderung der Grünen, finde sich nicht im Papier, ebenso wenig wie Maßnahmen gegen die vielen Befristungen, 2017 noch im Wohnprogramm der Grünen (und auch im türkis-blauen Programm). Das erstaunt den Experten dann doch. Das Wohnprogramm sei "sehr allgemein gehalten", resümiert Amann – was aber andererseits, positiver betrachtet, auch wieder bedeute: "Alles ist möglich."

Gescheiterte Arbeitsgruppen

So gesehen kann Amann auch dem Umstand, dass sich die Regierung nicht nur das Miet-, sondern das gesamte Wohnrecht vorknöpfen will, wieder etwas abgewinnen. Welche Dialogforen es dazu geben soll, wird man natürlich auch im ÖVI mit Spannung verfolgen. Holzapfel erinnert aber daran, dass es gleich mehrere ganz ähnlich gelagerte Anläufe in den letzten 20 Jahren gegeben hat, die allesamt scheiterten.

"Nicht weh tun", das war auch nach Ansicht von Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer das Credo der Regierungsverhandler. Deshalb habe man sich auf "politisch leicht ‚verkaufbare‘" Überschriften geeinigt, schreibt er in einer Analyse – unter dem Leitbild "Ökologisierung".

Unklare, fehlerhafte Punkte

Manche dieser Überschriften sei allerdings auch "rechtstechnisch" hinterfragenswert, meinen er und Holzapfel. Denn manches, das die Regierung als Ziel definiert hat, sei "ohnehin schon durch die aktuelle Gesetzeslage abgedeckt". Als Beispiel wird die verpflichtende Rücklagenbildung im Wohnungseigentumsgesetz genannt.

Unklar ist vielen Beobachtern auch der Punkt "Verbot von Zweitwohnsitzen im Gemeindebau und im geförderten Mietverhältnis". Denn ein solches gibt es de facto bereits: Wer in eine geförderte Wohneinheit zieht, muss dort den Hauptwohnsitz anmelden. Wird daraus einZweitwohnsitz, ist das gleichbedeutend mit einem nicht mehr gar so "dringendem Wohnbedürfnis" – ein Kündigungsgrund.

Für die Mietervereinigung schießt die Regelung deshalb "übers Ziel hinaus". Generell sieht auch sie "eine Vielzahl unkonkreter Ansätze" im Programm. "Sehr allgemein und schwammig" nennt es auch die Arbeiterkammer – aber immerhin trage es "nicht mehr so stark die Handschrift der Immobilienwirtschaft" wie unter Türkis-Blau. (Martin Putschögl, 11.1.2020)