Die türkis-grüne Regierung wurde vergangenen Dienstag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt.

Foto: Heribert Corn

Die schönen Tage in Brigitte Bierleins Interregnum sind nun zu Ende. Wir verlassen es nicht heiterer. Die türkise Phrase hat die Regierungsgeschäfte wieder aufgenommen, grüne Helfer haben bei der Vertagung des Ibiza-Untersuchungsausschusses schon die erste Krot geschluckt. Österreich ist ein wunderbares Land, da gibt es gar nichts zu denunzieren, wenn sich der Nebel des Regierungsprogramms mit dem Schleim der Präambel mischt. Der Bundeskanzler erkennt darin das Beste aus beiden Welten, womit er wohl die Sicherungshaft aus der blauen Unterwelt und ungestörtes Migrantensekkieren in einer türkisen Halbwelt meint. Welche Welten sich die Grünen mit diesem Seitenwechsel zu erschließen hofften, bleibt im allgemeinen Zweifel am Ausgang des Experiments bis auf weiteres unbestimmt. Immerhin ist die Koalitionskarotte gewonnen, und jetzt, wo Sebastian Kurz seine Regierungsdekoration von Blau auf Grün umgesteckt hat, kann sich auch einmal etwas zum Guten wenden.

Glaubenszweifel

War’s die Salbung in der Stadthalle, die ihn zur Hochform als Grünenfischer vom Winterpalais auflaufen ließ? Rationaler ist es nicht zu erklären, dass selbst eine berüchtigt verstockte Basis wie die der Grünen das Heil nur noch in einer Massenbekehrung zu erkennen glaubte. Mit mehr als 93 Prozent Zustimmung erhoben sie ein Regierungsprogramm, das in seiner Unbestimmtheit Kurz und seiner Entourage volle Durchsetzung ihrer Pläne erlaubt, in den Rang eines Evangeliums nach Werner Kogler.

Der hatte sich freilich schon vorbeugend jeden Glaubenszweifel mit der harschen Homilie verbeten, Kompromisse seien nicht zu denunzieren. Damit meinte er natürlich nicht das Wesen des Kompromisses an sich, sondern jenen, dem die grüne Spitze nach wochenlang vorsondierten Verhandlungen einfach nicht mehr widerstehen konnte.

Das Verhältnis zwischen Basis und Parteispitze, auf das die Grünen immer stolz waren, ist damit einmal von den Füßen auf den Kopf gestellt – eine Regierungsbeteiligung fordert eben auch ihre innerparteilichen Opfer.

Lebenslüge

Aber die Basis, zwangsbefragt, hätte kaum viel anders entscheiden können. Ablehnen, nach so vielen Fernsehbildern, in denen 14 Prozent 37 Prozent optisch gleichberechtigt und in öffentlich beteuerter Harmonie gegenübersitzen? Unmöglich. Wo doch auch das Narrativ, es gelte, ein Opfer auf dem Altar des Vaterlandes zu bringen, um selbiges vor einer Fortsetzung von Türkis-Blau zu retten, seine Wirkung entfaltete. Geschenkt.

Jetzt heißt es, in dieser Koalition mache eben jeder das, was er am besten könne. Das ist freilich eine Lebenslüge, solange der eine Partner am Geldhahn sitzt und von dort dosiert, was der andere am besten können darf. Und auch vor der moralischen Mitverantwortung an dem, was Kurz sonst plant, werden sich die Grünen nicht einfach drücken können.

Kurz hat mit den Grünen nicht nur einen respektablen Koalitionspartner geangelt, es gelang ihm damit auch, die Opposition im Parlament zu schwächen.

Die Blauen im Anbiederungsmodus, die Neos schwach, die SPÖ noch in Agonie und kein Kogler, der den Bundeskanzler als Chef einer Schnöseltruppe entlarvt. Pardon – denunziert.

(9.1.2020)