Am linken Rand des politischen Spektrums hofft man auf einen Einzug in den Gemeinderat. Die türkis-grüne Konstellation auf Bundesebene könnte dieses Vorhaben begünstigen.

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Wien – Im Vorfeld der Gemeinderatswahl gerät der linke Rand des Wiener politischen Spektrums in Bewegung. Für Freitag und Samstag hat die neue Initiative "Links" in der Bundeshauptstadt zu einer Gründungsversammlung geladen, um sich für ein Antreten bei der Wien-Wahl zu rüsten, die voraussichtlich im Herbst dieses Jahres stattfindet. "Es ist Zeit für eine Politik der vielen und für eine linke politische Kraft, die mit Hoffnung, Mut, Lust, Erfahrenheit und konkreten Ideen Ungerechtigkeiten offen anspricht, aber vor allem an einer besseren Gesellschaft arbeitet", heißt es im Gründungsaufruf von Links.

Bei der Veranstaltung am Wochenende werde es um die Grundsätze zur Organisation des Projekts gehen, sagt Can Gülcü im Gespräch mit dem STANDARD. Gülcü ist einer der Initiatoren von Links und war etwa bei den Donnerstagsdemonstrationen gegen die türkis-blaue Regierung federführend dabei. In den nächsten Wochen solle dann ein gemeinsames Programm erarbeitet werden, auch die Gründung von Bezirks- und Themengruppen sei geplant.

Fünfprozenthürde

Bei den Gemeinderatswahlen rechnet man mit guten Chancen auf einen Einzug ins Rathaus. Dafür ist allerdings ein Sprung über die Fünfprozenthürde notwendig, an der in der Vergangenheit schon manch linke Kandidatur gescheitert ist (siehe Wissen unten). Es wird also auch darauf ankommen, ob eine enge Kooperation mit anderen Gruppierungen zustande kommt."Wir haben alle linken Initiativen zur Teilnahme eingeladen, unter anderem auch Parteien wie KPÖ und Wandel", erklärt Gülcü. Menschen, die noch nirgends politisch aktiv sind, seien freilich genauso willkommen. Es brauche allerdings eine nachhaltige Organisation und kein loses Wahlbündnis, bei dem die teilnehmenden Gruppen an ihren eigenen Strukturen und Gewohnheiten festhalten.

KPÖ skeptisch

Eine Vorstellung, mit der die KPÖ angesichts ihrer mehr als hundertjährigen Geschichte keine Freude haben dürfte. KPÖ-Landessprecher Didi Zach äußerte sich vor einem Monat dementsprechend skeptisch zur neuen Initiative: "Der Name ist fixiert, der Wahlantritt und das Konzept detto – was also ist da noch diskutierbar und verhandelbar?", lautete Zachs rhetorische Frage. Mittlerweile sehen die Kommunisten aber offenbar doch mehr Chancen auf eine Zusammenarbeit. Die Mitglieder mögen die Versammlung am Wochenende besuchen, "um sich vor Ort selbst ein Bild über den aktuellen Stand des Projekts zu verschaffen", heißt es auf der KPÖ-Website. Die Bündelung linker Kräfte in Wien sei jedenfalls sinnvoll. Bei der Gemeinderatswahl 2015 erzielte die KPÖ mit dem Bündnis "Wien anders" rund ein Prozent der Stimmen. In fünf Bezirken konnte die KPÖ Bezirksratsmandate erringen.

Die KPÖ-nahe (aber unabhängige) Jugendorganisation "Junge Linke" dürfte dem Projekt etwas positiver gesinnt sein als die KPÖ selbst. "Wir werden bei der Konferenz stark vertreten sein. Es ist geplant, dass etwa sechzig Leuten vor Ort mitwirken", kündigt der politische Geschäftsführer Max Veulliet an. Ob sich die Jungen Linken in weiterer Folge der "Links"-Kandidatur anschließen werden, sei allerdings intern noch nicht festgelegt worden.

Wandel wartet ab

Bei der antikapitalistischen Kleinpartei Wandel, die in Wien bei der Nationalratswahl 2019 ein halbes Prozent der Wähler von sich überzeugen konnte, steht noch nicht fest, wie man sich für die Wien-Wahl aufstellen wird. Auf der Links-Konferenz am Wochenende werde sie sich nicht einbringen, sagt Wandel-Geschäftsführerin Daniela Platsch zum STANDARD. Man werde aber sicherlich mit allen linken Gruppierungen "über die konkreten Strategien und Pläne reden" und sich bezüglich eines Antretens abstimmen. Da die Wahl erst im Herbst stattfindet, bestehe derzeit keine Eile, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Nachsatz: "Im Moment ist politisch sehr viel im Fluss – auch bei Rot und Grün".

Günstige Bedingungen

Womit indirekt auch schon die durchaus günstige Großwetterlage einer linken Kandidatur angesprochen ist. Die grüne Beteiligung an einer Koalition mit der ÖVP auf Bundesebene könnte so manch urbanen Grünwähler nach links schielen lassen. Trotz Fortschritten beim Klimaschutz wird ein rechter Migrationskurs progressiven Wählern ebenso wenig schmecken wie die Sicherungshaft. Auch die türkis-grüne Steuerreform, die eine massive Entlastung von Unternehmen mittels Senkung der Körperschaftsteuer vorsieht, entspricht eher dem Gegenteil linker Ideen, die das Kapital stärker zur Kasse bitten wollen.

Ob die SPÖ dieses Wählerreservoir abschöpfen kann, ist beim derzeitigen Zustand der Partei fraglich, zumal Bürgermeister Michael Ludwig dem rechten Lager der Wiener SPÖ zugeordnet wird.

Wohnbau und Raumplanung

Die neue Linksgruppe schießt sich schon einmal auf die rot-grüne Stadtregierung ein. Diese agiere in der Wohnbaupolitik viel zu investorenfreundlich und öffne der Bodenspekulation Tür und Tor. Falls man in den Gemeinderat komme, werde man sich dort "dafür einsetzen, dass die Stadt wieder mehr selber baut, anstatt Investorenprojekte zu forcieren", meint Can Gülcü.

Ob die Raumplanungskonzepte von Links schon ausgereift sind, lässt sich indes bezweifeln. Anmeldungen für die am Freitag startende Konferenz sind nämlich seit geraumer Zeit nicht mehr möglich. Der reservierte Raum in der Volkshochschule Rudolfsheim-Fünfhaus sei schon mit den bisherigen 600 Anmeldungen weit überbucht. (Theo Anders, 10.1.2020)