Die Hacklerregelung ist nach ihnen benannt, dennoch kommen klassische Arbeiter oft nicht in den Genuss der Vorteile: Nun drängt die ÖVP auf die Beseitigung.

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Zwei Koalitionspartner, drei Meinungen: In der Debatte um die Neuauflage der berüchtigten Hacklerregelung sind sich ÖVP und Grüne nicht einig. Am Dienstagabend war Bundeskanzler Sebastian Kurz in der "ZiB spezial" des ORF vorgeprescht. Die umstrittene Frühpensionsvariante gehöre dringend repariert, sagte der ÖVP-Chef und kündigte an: "In dieser Form wird es nicht bleiben, weil die Regelung eine unfaire ist."

Vizekanzler Werner Kogler sprach das nicht so dezidiert aus, gab sich aber aufgeschlossen. Der ebenfalls grüne Sozialminister Rudolf Anschober jedoch wollte sich dann gar nicht auf ein Ende der Regelung festlegen. Mit einer Entscheidung will er zumindest bis Ende März warten, wenn die Alterssicherungskommission ihr neues Gutachten über die finanzielle Lage im Pensionssystem vorlegt.

Worum es konkret geht: Auf Betreiben von SPÖ und FPÖ hat das Parlament vor der Nationalratswahl im September des Vorjahres eine günstige Frühpensionsvariante beschlossen. Wer 45 Arbeitsjahre verbucht hat, darf ohne Verluste bereits ab 62 Jahren in Pension gehen und nicht erst mit dem gesetzlichen Pensionsalter von 65. Bisher wurde für drei Jahre zu früh ein Abschlag von 12,6 Prozent fällig.

Daran gibt es aus mehreren Gründen Kritik, hinter vorgehaltener Hand übrigens auch in der SPÖ, aus der die Erfinder des Privilegs kommen.

  • Kosten Weil die Kriterien diesmal strenger sind, wird es nicht so schlimm kommen wie bei der alten Hacklerregelung, die einst für eine Kostenexplosion gesorgt hat. Dennoch: Die jährlichen Ausgaben werden Jahr für Jahr steigen. Das Finanzministerium rechnete ursprünglich mit 70 Millionen im ersten Jahr, was sich in 15 Jahren bereits auf über eine Milliarde per anno summiert hätte. In Expertenkreisen ist nun eine etwas moderatere Zahl zu vernehmen: Heuer sollen es 30 Millionen sein, 2024 aber bereits 200 Millionen.
  • Treffsicherheit Das Geld kommt einer relativ kleinen Gruppe mit relativ hohen Pensionen und meist stabilen Jobs zugute. Laut Daten der Arbeiterkammer aus dem Herbst erhält ein Langzeitversicherter im Alter von 62 nach 45 Arbeitsjahren im Schnitt 2.553 Euro brutto im Monat. Die Befreiung von den Abschlägen bringt nun 368 Euro mehr, macht insgesamt 2.921 brutto. Zum Vergleich: Die Alterspension der Männer beträgt mit Stand Ende 2018 im Schnitt 1.678 Euro. Man merke: Die Hacklerregelung heißt inoffiziell nur so, nützt aber nicht unbedingt echten "Hacklern" – denn die kommen infolge von Pausen wegen Arbeitslosigkeit oft nicht auf die 45 Arbeitsjahre.
  • Frauen Vorerst profitieren von dem Passus nur Männer. Für Frauen gilt derzeit noch ein niedrigeres Antrittsalter, sie können ab 60 Jahren ohne Abschläge in Pension. Erst ab 2024 wird dieses schrittweise angehoben, um 2033 die 65 Jahre der Männer zu erreichen. "Eine Regelung nur für Männer, da sträubt sich was in mir", befand Kogler, er würde lieber Frauen mit niedrigen Pensionen bevorzugen. Tatsächlich liegt die Alterspension der Frauen mit im Schnitt 1.028 Euro im Monat weit unter jener der Männer.

Allerdings habe auch ein anderes Argument etwas für sich, sagt Markus Koza, auf Sozialthemen spezialisierter Abgeordneter der Grünen: dass jemand, der 45 Jahre im Job durchgehalten hat, sich die verlustfreie Pension redlich verdient habe. Auf ein dezidiertes Ja oder Nein legt sich Koza nicht fest, merkt aber an, dass im Regierungsprogramm nichts vereinbart ist: "Das ist kein Thema mit Priorität, bei dem Grund zur Eile besteht." Dies gelte umso mehr, als Betroffene Anrecht auf Verlässlichkeit hätten. "Da muss man sehr, sehr sachte vorgehen."

Eine heikle Geschichte

Tatsächlich werden Arbeitnehmer ihre vorzeitige Kündigung geplant oder eingereicht haben, weil sie nun ja günstiger in Pension gehen können. Darf die Regierung diesen Leuten den Vorteil plötzlich wieder wegnehmen? Wer bereits einen Pensionsantrag gestellt hat oder schon eine Leistung bezieht, der müsse unbehelligt bleiben, sagt der Sozialrechtsexperte Walter Pfeil von der Uni Salzburg – alles andere würde den Vertrauensschutz verletzen. Walter Pöltner, ebenso Jurist und Leiter der Alterssicherungskommission, hält ein halbes Jahr Übergangsfrist für das Minimum: "Bei einem Jahr wäre man auf der sicheren Seite. Das ist eine heikle Geschichte."

Für notwendig hält Pöltner die Abschaffung aber so oder so. Bereits im November nannte er die Hacklerregelung neu im STANDARD-Interview "unverantwortlich und arbeitnehmerfeindlich": Da werde das Ziel hintertrieben, die Menschen länger im Arbeitsleben zu halten. Die Kommission schloss sich in Folge mit Mehrheitsbeschluss inhaltlich an.

Das Gegenteil vertreten SPÖ und FPÖ. Nach 45 Jahren sei die Pension wohlverdient, lautet ihr zentrales Argument. Die Sozialdemokraten fügen an: Wenn Großkonzernen das Zehnfache an Steuersenkungen nachgeschmissen werde, dann sollte für die Hacklerregelung jedenfalls Geld da sein. (Gerald John, 9.1.2020)