Die Jobsuche kostet viel Kraft und kann einem viel abverlangen.

imago images / blickwinkel

Täglich grüßt das Murmeltier: beim Durchforsten von Jobplattformen, dem stundenlangen Brüten über einem Motivationsschreiben, der intensiven Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch und den Absagen. Dass die Jobsuche kein Honigschlecken ist, ist einem bewusst, aber wie lang der Atem wirklich sein muss, bis man etwas Adäquates findet und dass man sich ein dickes Fell zulegen muss, erfährt man erst, wenn man selbst mittendrin steckt.

"Auf drei bis sechs Monate sollte man sich schon einstellen, bis man etwas Neues gefunden hat", weiß Patrizia Tonin, Trainerin im AkademikerInnenzentrum, zu berichten. Das Institut unterstützt arbeitsuchende Akademiker mit Zusatzausbildungen und Coachings bei der Jobsuche. Die Monate, von denen sie spricht, kosten Kraft und können einem viel abverlangen.

"Am meisten hat mich in dieser Zeit frustriert, dass ich trotz guter Qualifikation und beruflicher Erfahrung immer wieder Absagen erhalten habe. Größtenteils erfährt man nicht einmal den Grund. Es war teilweise richtig zermürbend. Mein Selbstvertrauen hat ziemlich darunter gelitten", erzählt Maria, die anonym bleiben möchte. 50 Bewerbungen hat sie in dieser Zeit geschrieben, und zu zehn Gesprächen wurde sie eingeladen. In dieser herausfordernden Phase die Struktur beizubehalten, jeden Tag motiviert aufzustehen, sich selbst als Unternehmen zu sehen, das es zu verkaufen gilt, ist keine leichte Übung. Die Expertin aus dem AkademikerInnenzentrum rät dazu, gerade in diesen schwierigen Phasen den Austausch mit anderen zu pflegen. "Dass es Tage gibt, an denen es einem nicht gut geht, gehört ebenso dazu. Nach wie vor glauben viele, dass sie das mit sich allein ausmachen müssen", sagt Tonin.

Netzwerke stärken

Kontakte zu Gleichgesinnten knüpfen konnte Maria im AkademikerInnenzentrum bei einem zehnwöchigen Universitätslehrgang für Vertriebsmanagement, der ihr vom Arbeitsmarktservice (AMS) finanziert wurde. "Alle Teilnehmer in diesem Kurs waren Akademiker, teils auch in Leitungsfunktionen, und auch so wie ich auf Jobsuche. In Gesprächen zu erfahren, dass es anderen auch so geht, hat mich beruhigt und mir meine Selbstzweifel genommen. Wir konnten uns gegenseitig aufbauen und motivieren. Dieses Netzwerk ist heute noch aufrecht." Ihren Job hat Maria schlussendlich nach neun Monaten über einen Personalberater bekommen, der sie über die Online-Karriereplattform Xing gefunden hat.

Netzwerke jeglicher Art sind das A und O für die Trainerin Tonin. Denn auch bei der Jobsuche kommt das Eisbergmodell zu tragen: Man sieht nur die Spitze. Viele Jobs sind gar nicht ausgeschrieben. Tonin rät deshalb auch, keine falsche Scham an den Tag zu legen und offen auf Leute zuzugehen, wenn man sich für eine Stelle oder ein Unternehmen interessiert. "Ich muss Leuten in Coachings oft erklären, dass daran nichts Verwerfliches ist. Es muss einem schon auch bewusst sein, dass große Unternehmen auf Empfehlungsmanagement setzen. Beweisen muss man sich dann ja sowieso in seinem Job, das hat nichts mit Freunderlwirtschaft zu tun."

Wie nützlich Netzwerke sind, hat auch Peter (auch er will anonym bleiben) erkannt, als er keines mehr hatte. Er war als Chief Financial Officer (CFO) für ein Unternehmen im Ausland tätig und hatte aufgrund der schlechten Auftragslage seinen Job verloren. "Wenn ich ab Donnerstag zu Hause war, stand primär die Familie im Vordergrund, und ich bin auf keine Veranstaltungen mehr gegangen. Und wie heißt es so schön: aus den Augen aus dem Sinn." Das Schlimmste an der fast zweijährigen Jobsuche für den Juristen war, dass er für viele Jobs nicht (mehr) infrage kam. "Es wurde von vornherein angenommen, dass ich mich nicht mit einer niedrigeren Position zufriedengeben würde und eigentlich mit Ende vierzig auch nicht mehr der Richtige für den Job sei. Die Jüngeren seien jetzt dran." Auf die Idee, sein zweites Standbein, das Unterrichten an einer Fachhochschule, zu seinem Hauptberuf zu machen, brachte ihn ein Coaching. Den Schritt hat er bis heute nicht bereut. "Es macht mir großen Spaß, und ich genieße die Lebensqualität, die ich nach meinem stressigen Job gewonnen habe. Ich habe wieder Urlaub, ohne dauernd E-Mails beantworten zu müssen, und mehr Zeit für meine Familie."

Firmen sollen umdenken

Über den Tellerrand zu blicken und seine Kompetenzen und das Erlernte neu einzusetzen zahlt sich nicht nur für Bewerber aus. Sich Diversität ins Unternehmen zu holen und nicht nur die gleichen Leute zu reproduzieren bringt neue Sichtweisen. Was die Expertin Tonin auch gleich zu den Stellenanzeigen bringt: "Werden diese nicht genau formuliert, zu viele Sachen reingepackt, schreckt das ab, und Firmen lassen sich potenzielle Kandidaten durch die Lappen gehen." Mangelnde Zuverlässigkeit der Unternehmen kann ebenso zum Absprung der Bewerber führen, weiß Elisabeth (auch sie will anonym bleiben) von ihrer Jobsuche zu berichten.

"Ich finde es äußerst respektlos, wenn sich Unternehmen nach einem Gespräch nicht mehr melden. Der letzte Punkt in einem Gespräch ist meist der weitere Verlauf des Bewerbungsprozesses, und es wird immer ein ungefährer Zeitplan vorgestellt. Keiner dieser Zeitpläne wurde bei mir bis jetzt eingehalten. Eine kurze Info, dass sie sich nicht entschieden haben und noch einige Tage brauchen, würde mir schon ausreichen. Keine Antwort über Wochen, das geht einfach nicht."

Auch die Trainerin sieht in ihren Coaching-Gesprächen dabei hohes Frustrationspotenzial bei Bewerbern. "Wenn einem der Job wichtig ist, rate ich immer dazu, selbst aktiv zu werden und nachzufragen." Dass jemand, der sich seiner Kompetenzen bewusst ist, auch einen Job findet, steht für sie außer Frage. (Stefanie Leschnik, 13.1.2020)