Um Lehrberufe nachhaltig attraktiver zu machen, reichen kosmetische Maßnahmen nicht aus.

Imago

Mit dem neuen Jahr beginnt in vielen Betrieben auch die Suche nach geeigneten Lehrlingen. Gerade die großen Lehrlingsausbilder im Einzelhandel wie Spar oder Hofer haben bereits ihre Kampagnen gestartet. 900 Lehrlinge in 21 unterschiedlichen Lehrberufen sollen bei Spar, 650 beim Möbelhändler XXXLutz und 170 beim Diskonter Hofer ihre Ausbildung beginnen. Im Dezember wurden insgesamt 2341 offene Lehrstellen beim Arbeitsmarkservice (AMS) gemeldet, mehr als 900 davon in der Branche "Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen". Und auch wenn die Zahl der Lehrlinge in den Vorjahren leicht gestiegen ist, ist es oft nicht einfach, auch geeignete Kandidaten zu finden. Die großen Betriebe locken mit Zusatzprämien oder überdurchschnittlicher Bezahlung.

Mangelnde Grundkenntnisse in Rechnen, Lesen und Schreiben werden von den Betrieben oft als größte Herausforderung genannt. Für den Lehrlingsexperten Robert Frasch ist das nur die halbe Wahrheit. Die Matura sei für viele Eltern das wichtigste Ziel, das ihre Kinder erreichen sollen. "Daher sind die Leute, die heute noch eine Lehrstelle suchen, oft die, die früher zum Großteil Hilfsarbeiter wurden." Hier sei die Bildungspflicht, die die neue Bundesregierung umsetzen möchte, sicher ein wichtiger Schritt.

"Die Herausforderungen bei der Lehrlingssuche werden sich in den nächsten zehn Jahren noch weiter verschärfen", ist Frasch, der auch das Netzwerk Lehrlingspower.at gegründet hat, überzeugt. Denn dann würden die sogenannten Babyboomer in Pension gehen. Bei der ÖBB etwa werden bis 2030 10.000 neue Mitarbeiter aufgenommen. Den Betrieben sei der demografische Wandel zwar bewusst, so richtig vorbereitet seien die wenigsten, ergänzt Frasch.

Vom Bäcker zum Backtechnolgen

Die Lehre attraktiver zu machen ist nach wie vor ein zentrales Anliegen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Laufend sollen bestehende Lehrberufe modernisiert und neue Aufgaben in Lehrberufe gegossen werden. Im vergangenen Jahr kamen zum Beispiel die Berufe Bauwerksabdichtungstechnik, Fahrradmechatronik, Nah- und Distributionslogistik sowie Sportgerätefachkraft dazu. In anderen Bereichen wie beispielsweise Bäckerei, Betonbau, Hoch- oder Tiefbau können bei einer längeren Ausbildungsdauer Inhalte vertieft werden – vom Bäcker zum Backtechnologen, vom Hochbau (vormals Maurer) zum Hochbauspezialisten.

Frasch sieht diese Entwicklung durchaus kritisch. Vieles sei ein Renaming, unter dem neuen Namen könne sich aber niemand etwas vorstellen. "Das ist zu viel Kosmetik. Make-up ist gut und, maßvoll eingesetzt, kann die natürliche Schönheit unterstrichen werden. Wenn man sich aber das Gesicht damit zukleistert, ist es zu viel." Bei den Lehrberufen werde nur noch über Digitalisierung geredet. Die nichtdigitalen Lehrberufe haben es hier noch einmal schwerer. "In zehn, 15 Jahren werden sich alle freuen, die ein Handwerk gelernt haben, denn wir werden das, was wir heute einem Rechtsanwalt zahlen, künftig einem Installateur zahlen."

Die Verbesserung des Informationsflusses sei für Frasch ist ein wesentlicher Hebel – damit auch Außenstehende eine Vorstellung von den Inhalten der neuen oder modernisierten Lehrberufe bekommen können. Eltern haben oft keine Idee, was sich hinter den einzelnen Berufsbezeichnungen verstecke. "Und was passiert mit einem Konsumenten, der nicht weiß, was er kaufen soll. Er entscheidet sich für das, was er kennt – und oft ist das weiterhin die Schule." Damit die Lehre attraktiver werde, müssten die weiteren Karrieremöglichkeiten noch deutlicher gezeigt werden. "Eine Lehre ist keine Einbahnstraße, sondern bietet viele Perspektiven. Dem Handel gelingt das schon relativ gut. In Windeseile können dort Lehrlinge aufsteigen." (15.1.2020)