Der Iran will offenbar am Samstag die Ursache für den Absturz des ukrainischen Passagierflugzeugs bekanntgeben. Zunächst werde sich am Samstag das Ermittlungsteam nochmals treffen, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Fars am späten Freitagabend unter Berufung auf eine "informierte Quelle". Danach solle im Beisein ausländischer Experten das Ergebnis der Untersuchungen verkündet werden. Jede Spekulation vor dieser "offiziellen Bekanntgabe" sei "nicht glaubwürdig", hieß es weiter. Zuvor hatte die iranischen Luftfahrtbehörde gesagt, die Ermittlungen über die Absturzursache könnten bis zu zwei Jahre dauern.

Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij bat via Twitter, von Spekulationen abzulassen. Die Ukraine geht bei ihren Untersuchungen vorrangig davon aus, dass ein Raketenbeschuss oder ein Terrorakt zu dem Absturz des Ukraine-Airlines-Passagierflugzeuges geführt hat, sagte dennoch der Chef des ukrainischen Staatssicherheitsdienstes am Freitagabend. Wenige Stunden zuvor hatten iranische und ukrainische Experten nach offiziellen Angaben ihre Arbeit in einem Labor am Flughafen Mehrabad in der Hauptstadt Teheran aufgenommen.

Ihre Aufgabe ist die Auswertung der beiden schwer beschädigten Flugschreiber – des Flugdatenschreibers und des Aufzeichners der Geräusche in der Pilotenkanzel. Die ukrainischen Ermittler wollen die Gespräche zwischen der Besatzung und der Flugleitung auswerten. Dabei geht es auch um die letzten Worte des Kapitäns. Diese sollen Aufschluss darüber geben, was sich in der Dienstagnacht zugetragen hat – kurz bevor das Flugzeug der Ukraine International Airlines mit 176 Menschen an Bord abstürzte. In der selben Nacht hatte der Iran zwei von US-Soldaten genutzte Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen.

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Ein Satellitenbild der Absturzstelle. Das Trümmerfeld ist fast 400 Meter lang.
Foto: AP/Maxar Technologies

Der Iran war am Freitag bemüht, Transparenz und Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. So meldete die staatliche Nachrichtenagentur Irna, dass sich auch Vertreter der USA, Kanadas und Frankreichs an den Ermittlungen beteiligen werden. Auch die Daten der Flugschreiber könnten bei Bedarf nach Russland, Kanada, Frankreich oder die Ukraine geschickt werden.

"Psychologischer Kriegsführung"

Führende westliche Staaten gehen mittlerweile von einem versehentlichen Raketenabschuss durch die iranische Luftabwehr aus. Kanada hatte als eines der ersten Länder offiziell den Verdacht geäußert, dass das Flugzeug vom Iran versehentlich abgeschossen worden sei. Am Freitag schloss sich US-Außenminister Mike Pompeo an. Er erklärte, die USA glaubten "dass es wahrscheinlich ist, dass dieses Flugzeug durch eine iranische Rakete abgeschossen wurde". Pompeo, Kanada und die Ukraine betonten aber auch, dass man die Untersuchung abwarten müsse. Die Regierung in Teheran wies diese Darstellung zurück und sprach von "psychologischer Kriegsführung" gegen ihr Land.

Dieses Video soll zeigen, wie eine Rakete das Flugzeug trifft.

Die "New York Times" veröffentlichte ein Video, das zeigen soll, wie eine Rakete nahe einem Teheraner Flughafen ein Flugzeug trifft. Es zeigt eine kleine Explosion am Nachthimmel über dem Vorort Parand, die nach Ansicht der Zeitung den Moment des Raketentreffers darstellen könnte

Flugaufsichtschef Abedzadeh sagte, die Echtheit der Aufnahmen könne nicht verifiziert werden. Er rief die USA und Kanada dazu auf, ihre Informationen an die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO zu übergeben. Auf Internetplattformen zeigten sich iranische Bürger über Irans Luftfahrtbehörden empört, weil diese den Flugbetrieb nach den Raketenabschüssen auf US-Ziele im Irak nicht geschlossen hatten.

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Russisches Tor-M1-Luftabwehrsystem bei einer Militärparade in Teheran, September 2009. Ein Teil einer der von diesem Gerät verschossenen Raketen soll in der Nähe der Absturzstelle gefunden worden sein.
Foto: REUTERS/Raheb Homavandi

Iranische Regierungsvertreter und Abedzadeh bezeichneten die These, dass die Maschine von einer iranischen Abwehrrakete abgeschossen worden sei, als technisch und wissenschaftlich absurd. Die Untersuchungen würden bald erweisen, dass die Amerikaner mit solchen Gerüchten nur versuchten, das international angekratzte Image von Boeing nicht noch weiter zu beschädigen – eine Anspielung auf die Abstürze von Passagiermaschinen des Typs 737 Max im Oktober 2018 und März 2019. Die in Teheran abgestürzte Maschine gehört ebenfalls zur 737-Familie.

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Die beschädigten Flugschreiber.
Foto: Reuters/IRIB VIA WANA

AUA streicht Flüge nach Teheran bis 20.Jänner

Wegen der "veränderten Einschätzung der Sicherheitslage" gab die AUA am Freitag bekannt, dass ihre Flüge nach Teheran bis 20..Jänner gestrichen werden. Bereits am Donnerstag drehte eine Maschine die sich schon auf dem Weg in den Iran befunden hatte, auf halbem Weg um. Die Entscheidung über eine Wiederaufnahme der Flüge werde voraussichtlich "ein, zwei Tage" vor dem 20. Jänner getroffen, sagte eine AUA-Sprecherin. (red, APA, 10.1.2020)