Der Leberschedl ist der bessere faschierte Braten: außen knusprig, innen saftig und fluffig, nur zart nach Leber schmeckend, aber dank ihr trotzdem aufregenderer, komplexer, als schnödes Faschiertes es je kann. Geht alles gut, ist er dem Namen zum Trotz ein erstaunlich elegantes Gericht. Das Schweinsnetz, in dem er traditionell gebacken wird, sorgt außerdem für Fett, Geschmack und Knusperfaktor und sieht schon beim Kochen einfach prächtig aus.

Leberschedl ist ein traditionelles oberösterreichisches Gericht und ganz besonders im Mühlviertel beliebt. (1) Ich habe daher zu Recherchezwecken direkt die Familie Rachinger kontaktiert. Die Rachingers betreiben den Mühltalhof in Neufelden im Mühlviertel, eines der besten Restaurants des Landes, und sind außerdem erklärte Leberschedl-Connaisseure. Philipp Rachinger, der aktuelle Chefkoch, und sein Vater Helmut haben sich auf meine Nachfrage mit Walpurga Rachinger besprochen, 86, Mutter bzw. Oma der beiden und Leberschedl-Autorität des Hauses. "Ich krieg' den schon hin", hat Helmut gemeint, "aber die Mama kann's am besten."

Foto: Tobias Müller

Walpurgas Rezept geht ungefähr so: Zunächst wird eine Mischung aus Bauchfleisch und ein bisserl Schweinsschulter faschiert, und zwar so, dass das Verhältnis mageres Fleisch zu Fett ungefähr 60 zu 40 beträgt. Auf diese Menge werden schließlich etwa 30 Prozent Leber dazufaschiert (haben Sie ein Kilogramm Fleisch, nehmen Sie also 300 Gramm Leber). "Nur nicht zu viel Leber nehmen", warnt Oma Rachinger, "sonst wird's schnell bitter." Drei Zwiebeln und acht Knoblauchzehen werden grob gehackt, kurz angebraten, ebenfalls durch den Fleischwolf gelassen und zum Fleisch gegeben.

Die Masse wird anschließend mit Salz, weißem Pfeffer und ordentlich getrocknetem Majoran gewürzt, dann kommen auf ein Kilo Fleisch drei Eier dazu. Dann wird die Konsistenz mit Milch, Knödelbrot und eventuell etwas Grieß angepasst. Das ist die heiße Phase: Die Masse solle "rinna", aber "koa Suppn" sein, hat mir Helmut geraten und gewarnt: "Das muss passen, das ist wie bei einem französischen Soufflé." Wer in Ostösterreich zu Hause ist, nimmt besser trockene Semmeln statt Knödelbrot, weil "ihr habt in Wien kein gscheits, das ist viel zu trocken".

Die fertige Masse wird schließlich in ein Schweinsnetz geschlagen und in einer Rein gebacken. Die Rachingers haben 60 Minuten bei 160 Grad Ober- und Unterhitze empfohlen, wer es nicht eilig hat, der schaltet die Hitze überhaupt nach einiger Zeit auf 140 Grad runter – je langsamer der Schedl gart, desto besser (und desto weniger wird er beim Braten schrumpfen und Fett lassen). Vor dem Servieren heißt es noch einmal Geduld haben: Der Schedl muss 15, 20 Minuten rasten, damit sich die Säfte sammeln und gleichmäßig im Fleisch verteilen. Dann kann er aufgeschnitten und am besten mit Sauerkraut oder Krautsalat und Salzerdäpfeln serviert werden. Der Rest, sagt Sohn Philipp, "ist Übung".

Der Name des Gerichts kommt übrigens nicht vom Kopf, sondern von der runden Rein, die in (Teilen?) Oberösterreichs "Schedl" genannt wurde. In der einen oder anderen Form wird es aber an vielen Orten serviert: Etwas weiter im Westen kennt und liebt der Tiroler die Zillertaler Ofenleber, die zusätzlich noch mit Speck gewickelt wird, etwas weiter im Norden bäckt der Tscheche die "Budweiser Leber" mit etwas Erdäpfeln und Backpulver im Brät (ich danke dem Herrn Fink für den Hinweis).

Leberschedl ist ein klassisches Schlachttags-Resteessen. Noch besser wird er daher, hat mir Helmut versichert, wenn man dem Brät auch noch gekochten Sauschädl beimengt – "das macht das Gericht noch viel mehr zum Schädl". Wer grade keinen bei der Hand hat, kann zumindest die Schwarte vom Schweinsbauch abziehen, zwei, drei Stunden köcheln lassen und dann mitfaschieren.

Übrigens: Wem selber kochen zu viel Arbeit ist: Wer nett fragt und zu sechst oder mehrt kommt, dem macht Walpurga auf Vorbestellung zu Mittag im Mühltalhof manchmal einen Leberschedl. Die Nachfrage sei in letzter Zeit wieder gestiegen, meint Helmut.

Leberschedl nach Walpurga Rachinger (genug für sechs Esser)

1 Schweinsnetz

400 Gramm Schweinsbauch ohne Schwarte

300 Gramm Schweinsschuler

250 Gramm Schweinsleber

3 Zwiebeln

8 Knoblauchzehen

3 Eier

2 Semmeln vom Vortag, am besten in Scheiben geschnitten und über Nacht getrocknet, dann in kleine Würfel geschnitten

etwa 1/2 Liter Milch

2, 3 EL Grieß (optional)

Salz, weißer Pfeffer, Neugewürz, nicht zu knapp Majoran

Das Schweinsnetz in eine Schüssel legen und unter laufendem kaltem Wasser etwa eine Stunde wässern.

Foto: Tobias Müller

Fleisch zuputzen und die Schwarte vom Bauch nehmen. (Wir haben damit eine Suppe und in dieser wiederum die Erdäpfel gekocht. Wer Zeit und Lust auf Extragelatine hat, kann sie bestimmt auch ein paar Stunden kochen und dann mit dem Fleisch mitfaschieren.)

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Zwiebeln und Knoblauch grob hacken, kurz anbraten, dann gemeinsam mit Fleisch und Leber faschieren. Eventuell Fleisch vorher 15 Minuten in den Tiefkühler geben, damit es sich besser faschieren lässt. Kräftig mit Salz, weißem Pfeffer, Neugewürz und nicht zu knapp Majoran würzen. (Majoran muss man schmecken, meint der Herr Fink, und ich finde, er hat völlig recht.)

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Drei Eier zum Faschierten schlagen und gut durchmischen, dann die Milch, das Knödelbrot und eventuell etwas Grieß zugeben und gut durchkneten, sodass sich eine homogene Masse bildet.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Sie soll relativ flüssig sein, damit der Braten später saftig ist. Die Masse kosten und abschmecken – sie soll stark gewürzt schmecken, weil sie, einmal gekocht und heiß, milder schmecken wird.

Foto: Tobias Müller

Das Backrohr auf 160 Grad vorheizen. Das Netz in einer Rein ausbreiten, die Masse einfüllen und das Netz darüber zusammenschlagen. Etwa 60 bis 75 Minuten backen oder so lange, bis der Leberschedl eine Kerntemperatur von etwa 65 Grad hat.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Mit Oberhitze eventuell nachbräunen. Aus dem Rohr nehmen und an einem warmen Platz 15 Minuten rasten lassen. Aufschneiden und mit Sauerkraut und Erdäpfeln servieren.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 12.1.2020)

(1) Wie so vieles (etwa Biberschwanzsuppe) verdanke ich auch den Leberschedl dem Florian S., der vorschlug, ihn zu machen. Und wie so oft hat auch hier der großartige Christoph Fink mitgekocht. Vielen Dank dafür!