CSU-Chef Markus Söder ist verärgert über die Geschehnisse in Wallerstein.

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Joseph Mayer, der Bürgermeister in der bayerischen Gemeinde Wallerstein, kann entspannt auf den 15. März blicken. An diesem Tag finden in Bayern Kommunalwahlen statt, und Mayer von der parteifreien Wählergruppe, der seit 2002 im Amt ist, hat – jetzt erst recht nach der Blamage der CSU – gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Denn die CSU Wallerstein hat am Donnerstagabend bloß eine Wahlliste für den Gemeinderat aufgestellt, aber entgegen früheren Ankündigungen keinen Bürgermeisterkandidaten nominiert. Und sie steht deshalb, nicht nur in der Marktgemeinde im schwäbischen Landkreis, ziemlich düpiert da.

Eigentlich würde die CSU in Wallerstein (3.300 Einwohner) gern den Bürgermeister stellen, und sie hätte auch schon einen für viele perfekten Kandidaten gefunden: Seher Sahin, ein Unternehmer mit türkischen Wurzeln, der vor 44 Jahren im bayerischen Nördlingen geboren wurde. Er ist mit einer Christin verheiratet, hat zwei Kinder, eine Firma für Maschinenhandel und engagiert sich als Trainer im Fußballverein. Der Mann wäre grundsätzlich der perfekte Kandidat für die CSU. Doch er hat, in den Augen vieler an der CSU-Basis, einen "Makel": Er ist Muslim.

Kaum war bekanntgeworden, dass Sahin bereit ist, als Ortschef zu kandidieren, da lief das Telefon bei der CSU Wallerstein heiß. Tenor der Klagen: Ein Muslim und die CSU – das passe nun wirklich nicht zusammen, bittschön, auch wenn Sahin ein guter Mann sei, das geht nicht. Manche drohten, sie würden ihre eigene Kandidatur für den Gemeinderat zurückziehen, sollte Sahin antreten.

"Wir sind noch nicht so weit"

"Wir sind auf dem Dorf, und wir sind noch nicht so weit", fasste CSU-Ortsvorstand Georg Kling die Lage zusammen. Er selbst hatte die Kandidatur Sahins unterstützt, musste aber erkennen, dass er die Stimmung an der Basis falsch eingeschätzt hatte.

Sahin zog daraufhin seine Kandidatur zurück, weil er die CSU nicht spalten wollte. Er sagte in der "Süddeutschen Zeitung": "Viele haben allein schon wegen meines Namens ein Problem – und natürlich auch wegen meines Glaubens und meiner Herkunft." Er habe schon im Vorfeld der Kandidatur den Ortsvorstand darauf hingewiesen, doch die Antwort habe gelautet: "Das glauben wir nicht. Wir unterstützen dich." Daraufhin habe er, Sahin, sich gedacht: "Ich mach's."

Doch der Widerstand der Basis war zu groß. "Es ging nie um meine Person, sondern immer nur um meinen Glauben. Das C in CSU und ich als Moslem, das passe absolut nicht zusammen, hieß es zum Beispiel", erklärt Sahin.

CSU-Spitze verärgert

Als er seine Kandidatur zurückzog, war die Parteileitung in München entsetzt. "In der CSU finden alle Platz, die die Werte der Christlich-Sozialen Union teilen. Wir hätten Herrn Sahin für einen sehr, sehr guten Kandidaten gehalten, und ich kann sagen, wir haben wirklich alles probiert, ihn auch nochmal zu gewinnen", betonte Generalsekretär Markus Blume, der in einem langen Telefonat versucht hatte, Sahin doch zur Kandidatur zu bewegen.

CSU-Chef Markus Söder nannte die Ressentimens in Wallerstein gegen Sahin "sehr ärgerlich". Und Theo Waigel, der Ehrenvorsitzende der Partei, meinte: "Sogar bei den Oberammergauer Passionsspielen dürfen Muslime mitmachen, dann muss das doch in der CSU auch möglich sein."

Doch Sahin bleibt dabei. Er sei niemandem böse, sagt er, aber er wolle nie wieder in die Politik. Immerhin hat die CSU Wallerstein am Donnerstag eine Liste mit 16 Personen für die Wahl zustande gebracht. Nur vier davon sind Frauen. (Birgit Baumann aus Berlin, 10.1.2020)