Sebastian Kurz kommt sich in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet vor. Ist ja auch wahr. Jetzt, wo die ganze Welt in Bewunderung vor dem türkis-grünen Experiment zerfließt, ist es untragbar, dass es noch immer heimische Medien gibt, in denen er an manchen Tagen nur einmal abgebildet ist.

Spirituelle Herrschaft über den Sonntag

Um die Unterversorgung der Bürgerinnen und Bürger mit seiner Person zu lindern, greifen seine Kontrollfuzzis nach der spirituellen Herrschaft über den Sonntag, wie sie jahrhundertelang nur die katholische Kirche beanspruchen konnte. Alle Zeitungen, die am Tag des Herrn erscheinen – gottlose am darauffolgenden Tag –, werden mit einer Denkanleitung von ganz oben in Form von Interviews geflutet, neben denen es Ausgießungen des Heiligen Geistes in traditioneller Form schwer haben, als glaubwürdig zu bestehen.

Noch nicht jeden Sonntag ist es, aber vergangenen Sonntag war es wieder einmal so weit, galt es doch, die Wahrheit über den türkis-grünen Koalitionspakt frei von Verfälschungen durch Journalisten und weitgehend unbeeindruckt von deren Fragen zu verbreiten. Und alle spielten mit. Die "Kronen Zeitung" illustrierte den frechen Skeptizismus ihres Aufmachers – Geht das gut mit dieser Regierung? – mit Fotos, die Kurz einmal neben Prinz Eugen, einmal neben Conny Bischofberger zeigen. Die durfte im Blattinneren dann fragen: Haben Sie sich die Grünen gefügig gemacht, Herr Kurz, was sich auf eine vom deutschen "Spiegel" verbreitete Behauptung bezog, Kurz habe das Talent, sich Koalitionspartner gefügig zu machen.

Welch ein Staatsmann!

Überhaupt nicht, konnte er wahrheitsgemäß antworten. Sondern die Grünen haben sich auf eine neue Aufgabe und eine neue Rolle eingelassen, sich also selbst gefügig gemacht. Vollkommen konsequenzlos täglich etwas zu kritisieren, etwas fordern zu können, hing ihnen zum Hals heraus, denn das ist etwas grundlegend anderes, als Verantwortung zu tragen. Welch ein Staatsmann!

Wichtig war es auch, dem Volk endlich zu erklären, was es mit dem Besten aus beiden Welten auf sich hat. Im "Kurier" antwortete Kurz auf eine Bitte, die Welt jeweils zu definieren: Wir stehen für die Senkung der Steuerlast, keine Schuldenpolitik und eine konsequenten Linie im Bereich Migration und Sicherheit. Die Grünen stehen für Umweltschutz und Transparenz. Für irgendetwas in der Welt müssen sie ja stehen.

"Und so wie damals mit Heinz-Christian Strache ist jetzt auch das Vertrauensverhältnis mit Werner Kogler ein gutes": Sebastian Kurz über den Neo-Koalitionspartner in der "Presse".
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

In der "Krone" macht er es sich nicht so leicht

In der "Krone" machte er es sich nicht so leicht. Auf die Frage nach einer Trennlinie zwischen diesen beiden Welten präzisierte er: Quer durch. Wir haben in vielen Sachfragen ganz konträre Zugänge. Die Grenze ist schwer festzumachen, da geht es mehr um Themenfelder.

Endgültige Klarheit schuf er dann mit der Feststellung: Es gibt schon auch viele Gemeinsamkeiten und durchaus Bereiche, die bei den Verhandlungen unstrittig waren, aber man muss damit nicht übertreiben. Gemessen an der Welt wäre das, wenn Sie so wollen, vielleicht kein Erdteil, aber sehr wohl ein paar Länder. Wie rasch doch das Beste aus zwei Welten auf ein paar Themenfelder und ein paar Länder schrumpft, wenn man versucht, einem österreichischen Bundeskanzler eine Konkretisierung seiner Gemeinplätze zu entlocken!

Bei der Sicherungshaft hat er einen festen Glauben

Was die Sicherungshaft betrifft, hat er einen festen Glauben. Ich glaube, dass es hier keine emotionale Debatte über die Medien braucht. Dafür reicht auch eine emotionslose Verständigung mit der FPÖ. Wofür gibt es den koalitionsfreien Raum, das ist ein Krisenmechanismus, der wahrscheinlich gar nicht zur Anwendungen kommen wird, wie Kurz "Österreich" wissen ließ. Aber ja: Falls eine unvorhersehbare Situation eintritt, die er lieber jetzt schon vorhersieht, wollen wir gerüstet sein, und das ohne emotionale Debatte, womöglich mit den Grünen.

Mit Strache brauchte er keinen Krisenmechanismus

Die sollen sich gar nicht einbilden, im Besten aus zwei Welten eine besondere Rolle zu spielen. Das gebührt noch immer einer verflossenen Liebe, wie Kurz der "Presse" gestand. Wir sind sicher in vielen Fragen den Freiheitlichen inhaltlich näher. Und so wie damals mit Heinz-Christian Strache ist jetzt auch das Vertrauensverhältnis mit Werner Kogler ein gutes. Der kann sich glücklich preisen, in Kurzens Gunst auf einer Stufe mit dem Helden von Ibiza zu stehen. Das ist für einen Grünen nicht selbstverständlich, denn, so Kurz im "Kurier", wir sind inhaltlich sicher deutlich weiter voneinander entfernt als FPÖ und Volkspartei.

Mit Strache brauchte er keinen Krisenmechanismus. Dabei war da die unvorhersehbare Situation deutlich vorhersehbar. (Günter Traxler, 11.1.2020)