Zur Beschneiung von Skigebieten gibt es viele Rechenspiele: Kleine Gebiete sollen mit der Energie auskommen, die ein einzelner Ferienflug verbraucht.

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Empört euch!", hat der französische Autor Stéphane Hessel noch im vergangenen Jahrzehnt geraten. Zur beginnenden Dekade empfiehlt Greta Thunberg: "Schämt euch!" – fürs Fliegen, fürs Fleischessen, für die Zerstörung von Ökosystemen. Ökologisch fragwürdige Ausbaupläne von Skigebieten, wie sie zuletzt aus dem Pitz- und Ötztal bekannt wurden, werden demnach immer öfter mit Empörung und Fremdscham aufgenommen. Doch nun stellen erste Skigebiete die kecke Frage: Wofür sollen wir uns eigentlich schämen?

Zu Beginn dieser Skisaison beanspruchte eine kleine Bergbahngesellschaft in Vorarlberg für sich, das "erste klimaneutrale Skigebiet Österreichs" zu betreiben. Golm im Montafon hat etwas mehr als 40 Pistenkilometer und neun Aufstiegshilfen anzubieten – und bereits seit 2012 den damals weltweit ersten Sessellift, dessen Strom zur Gänze aus einer Photovoltaikanlage stammt. Doch wie wird die unvorteilhafte Klimabilanz der übrigen Lifte und der Beschneiungsanlagen ausgeglichen? Durch Kompensationsprojekte.

Was an Emissionen nicht vermeidbar ist, wird vom Skigebiet als CO2-Fußabdruck erfasst und zum Beispiel mit Spenden für ein Klimaschutzprojekt in Äthiopien gegengerechnet. Ein Weg, den in ähnlicher Weise auch Ischgl geht, das zu Saisonbeginn vermeldete, ab sofort das "größte klimaneutrale Skigebiet der Alpen" zu sein.

Neue Bäume im Tal

Nicht vermeidbare CO2-Emissionen gleicht die Silvrettaseilbahn ebenfalls über internationale Klimaschutzprojekte und ein Aufforstungsprogramm im eigenen Tal aus. In den letzten Jahren sind dafür um Ischgl gut 10.000 neue Bäume gepflanzt worden. Dabei werden die Skilifte vor Ort praktisch zur Gänze durch er neuerbare Energie, in erster Linie Wasserkraft, betrieben. Überdies spart man mit Solar- und Wärmerückgewinnungsanlagen fast 250 Tonnen CO2 pro Jahr ein, und beschneit wird nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip: Ein GPS-System hilft, die Schneehöhe zu messen und nur dort Kunstschnee einzusetzen, wo er wirklich nötig ist. Doch ist das alles genug?

Klimaexperten meinen: Kompensationen (vor allem Aufforstungen) brauchen oft zu lange, um positive Effekte zu zeigen. Womöglich so lange, dass das Ausbringen von Kunstschnee sinnlos geworden ist. Mit dem zu erwartenden durchschnittlichen Temperaturanstieg wird er zu rasch wieder schmelzen. Der erhebliche Energieaufwand dafür sei demnach "vergebene Liebesmüh".

So erheblich sei dieser allerdings nicht, rechnet etwa der Verband deutscher Seilbahnbetreiber vor: Für die Beschneiung einer Fläche von 20 Hektar (das entspricht einem kleinen Skigebiet) braucht man im Jahr 250.000 kWh. Genauso viel verbraucht ein Flug nach Mallorca und zurück. Der negative ökologische Fußabdruck entstünde im Übrigen weniger in den Skigebieten als vielmehr bei der individuellen Anreise.

Mit dem Zug zum Berg

Tatsächlich sind bis zu 80 Prozent des CO2-Ausstoßes im Wintertourismus auf die Anreise zurückzuführen. Das englische Portal snowcarbon.co.uk hat diesen Umstand zum Anlass genommen, ausschließlich Skigebiete zu listen, die gut an das Bahnnetz angebunden sind. Auch die ÖBB haben reagiert: Seit Anfang dieses Jahres gibt es von Wien und Deutschland aus Nachtzugverbindungen in vier Tiroler Skigebiete.

Der Alpenverein wirft nun ein, dass bei all den vorgenannten Berechnungen zum ökologischen Fußabdruck der Skigebiete wichtige Faktoren gar nicht berücksichtigt wurden – etwa Rodungen, Planierungen und somit die entstehenden Erosionsflächen. So mag Ischgl zwar klimaneutral wirtschaften, das Gebiet habe aber im Bezug auf die Bodennutzung einen großen (negativen) ökologischen Fußabdruck. Kleinere Skigebiete wie Golm mit geringerem Fußabdruck werden dagegen aufgrund des Konkurrenzdrucks und mangelnder Schneesicherheit in Zukunft aufgeben müssen.

Hilfreich: Auch Vergleichsportale wie skiresort.at loben nun nicht mehr nur die Pistenkilometerkaiser aus, sondern bieten zudem einen Überblick über die umweltfreundlichsten Skigebiete. (Sascha Aumüller, 11.1.2020)