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Die Fahne Taiwans wird auf Wahlveranstaltungen gerne gezeigt.

Foto: AP Photo/Ng Han Guan

Eigentlich könnte die amtierende Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen, entspannt und siegessicher sein. Die Wirtschaft der Insel brummt. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren. Der Aktienindex notiert auf einem Allzeithoch, und die Löhne, lange das größte Problem Taiwans, sind während Tsais Regierungszeit so stark gestiegen wie noch nie.

Hinzu kommt: Seit Beginn der Proteste in Hongkong im Juni 2019 hat ihre Partei, die DPP, vermehrt Zulauf von jungen Wählerinnen und Wählern. Der Sieg der 64-Jährigen scheint sicher, das bestätigen alle Umfragen.

Trotzdem war der Wahlkampf von Nervosität geprägt. Spätestens seit November ist klar, wie stark Peking versucht, die Wahlen zu beeinflussen: Vor zwei Monaten enttarnte sich der Spion Wang Liqian und beantragte in Australien Asyl. Laut seinen eigenen Angaben war Wang Teil einer Cyber-Armee, die mit gefälschten Facebook-Seiten und Youtube-Videos die Wahl am Samstag zugunsten Pekings beeinflussen sollte.

Sowohl die chinafreundliche Kuomintang-Partei (KMT) als auch Peking streiten dies ab. Wang sei ein Lügner und mit Sicherheit kein Spion, hieß es seitens der KMT. Wang wiederum behauptet, er sei in der Zwischenzeit bedroht worden: Widerrufe er sein Geständnis nicht, drohe ihm der Tod in China.

Die Unterscheidung zwischen freier Meinungsäußerung und bezahlter Propaganda ist schwierig. So wirft ein Youtuber der Regierungschefin vor, "unser geliebtes Taiwan an die Amerikaner zu verkaufen". Andere streuen Falschmeldungen, dass Stimmen für die oppositionelle KMT für ungültig erklärt werden würden.

Einfluss über die Medien

Laut V-Dem, einem schwedischen Forschungsinstitut, ist kein Land der Welt so stark von ausländischen Falschinformationen betroffen wie Taiwan. "China verbreitet falsche und irreführende Informationen im Ausland, und Taiwan ist dabei eines der Hauptziele", heißt es in dem Report. Seit Jahren kauft sich Peking zudem in die Medienlandschaft Taiwans ein und bestimmt so das Agenda-Setting. Unter anderem wird so auch der Erdrutschsieg der KMT bei den Lokalwahlen 2018 erklärt.

Die Kuomintang steht für eine enge Anbindung an das Festland und lehnt eine Wiedervereinigung nicht grundsätzlich ab. Damit aber steht sie in Widerspruch zu den meisten Taiwanern und vor allem zur jungen Generation. Laut einer Umfrage sehen sich 83 Prozent der Erstwähler als Taiwaner, nur 1,1 Prozent bezeichnen sich als Chinesen. Nur sechs Prozent wünschen sich eine Vereinigung mit dem Festland. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 11.1.2020)