Die geplante Präventivhaft wird das Parlament länger beschäftigen.

Foto: Matthias Cremer

Eines der größten Rätsel der österreichischen Konservativen ist es, dass sie sich immer wieder auf fragwürdige Gesetzesvorhaben einlassen, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie vor dem (Verfassungs-)Gericht nicht halten. Weil sie mit wichtigen Verfassungsgrundsätzen wie dem Schutz der persönlichen Freiheit und/oder der Gleichbehandlung verschiedener Gruppen nicht vereinbar sind. So war das mit dem unter Türkis-Blau ausgeheckten Überwachungspaket ebenso wie mit der Schlechterstellung kinderreicher (hauptsächlich migrantischer) Familien bei der Mindestsicherung.

So wird es wohl auch mit der sogenannten Sicherungshaft sein, die dazu dienen soll, "gefährliche" Asylwerber präventiv einzusperren. Ohne dass sie einen Tatbestand gesetzt haben. Trotzdem hat Sebastian Kurz diese ursprünglich von Herbert Kickl (FPÖ) ausgeheckte Maßnahme extra in die Koalitionsverhandlungen eingebracht und durchgesetzt, dass sie im Regierungsprogramm steht, allerdings auf Betreiben der Grünen mit dem Zusatz, das müsse "verfassungskonform" sein.

Präventivhaft verfassungswidrig

Das ist sauber nicht zu machen. Derzeit ist eine Präventivhaft verfassungswidrig. Das von Türkis gern gebrauchte Argument, 15 andere EU-Staaten hätten ja auch eine solche Präventivhaft, ist eine Halbwahrheit. Es handelt sich dabei meist um eine Schubhaft: Asylwerber, die abgeschoben werden sollen, werden festgesetzt, damit sie nicht untertauchen.

Österreich, ein Land mit autoritärer Vergangenheit und autoritären Neigungen, hat überdies ein "Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit". Dieses Gesetz steht im Verfassungsrang. Es zählt taxativ die möglichen Gründe auf, warum jemand seiner persönlichen Freiheit durch Haft beraubt werden kann. Präventivhaft ist nicht darunter.

Das ist auch in einem Rechtsstaat und einer Demokratie gut so. Wer entscheidet, wer aus welchen Gründen präventiv eingesperrt wird? Neben vielen anderen (Brigitte Bierlein noch als Chefin des Verfassungsgerichtshofs) wies zuletzt auch die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, in der "ZiB 2" am Donnerstag auf die Gefährlichkeit solcher Willkür hin.

Verfassungsänderung

"Verfassungskonform" lässt sich das nur machen, wenn man die Verfassung ändert, das heißt in das Gesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit den Haftgrund "Schaut mir verdächtig aus" hineinschreibt.

Verfassungsänderungen bedürfen allerdings einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Dazu benötigen Türkis und Grün entweder die SPÖ oder die FPÖ. Die SPÖ fällt wohl aus. Wenn die Grünen in einer solchen rechtsstaatlich und demokratiepolitisch wichtigen Frage mit Türkis-Blau stimmen, gibt es einen Aufstand an der Basis und unter den Wählern. Werner Kogler rechnet wohl damit, dass es gar nicht so weit kommt.

Menschenrechtsexperten wie Manfred Nowak weisen ja darauf hin, dass mit U-Haft und Schubhaft schon genügend Instrumente zur Verfügung stehen.

Die Kanzlerpartei mag meinen, dass verfassungsmäßig abgesicherte Grundrechte nicht so eng zu sehen sind, von Grünen erwartet man mehr Grundsatztreue. (11.1.2020)