In der Khumbu-Region auf 4900 Meter Seehöhe, nicht weit vom Mount Everest entfernt und unter der Ana Dablam, dem "Matterhorn" des Himalaja. Auch hier sprießen immer mehr Pflanzen.
Foto: Karen Anderson/Uni Exeter

Exeter/Wien – Die Gletscher des Himalaja waren Gegenstand des bisher wohl peinlichsten Fehlers des Weltklimarats IPCC. 2007 stand da zu lesen, dass die Gletscher des höchsten Gebirges der Welt bis zum Jahr 2035 sehr wahrscheinlich abgeschmolzen sein würden. Die Fehlprognose war damals Wasser auf die Mühlen der Klimawandelleugner, zumal es ein wenig dauerte, bis der IPCC den Irrtum – wie es sich für gute Wissenschaft gehört – eingestand und korrigierte.

Nichtsdestoweniger ist die Himalajaregion eine jener Weltgegenden, die von der Erderwärmung besonders stark betroffen sind – und damit auch die Gletscher auf dem Dach der Welt. Seit 1980 ging rund ein Viertel des gesamten Gletschereises verloren; seit 2000 hat sich die Abschmelzrate verdoppelt.

Forschungslücke Vegetation

Weit weniger gut erforscht ist, wie sich die Erderwärmung auf die Vegetation in höheren Regionen des Himalaja auswirkt und welche Folgen diese Veränderungen auf die Hydrologie der Region haben, wie die britische Forscherin Karen Anderson (Uni Exeter) erklärt. Sie hat nun gemeinsam mit Kollegen einen Teil der wichtigen Wissenslücke geschlossen. Denn die sogenannten subnivalen Ökosysteme – also jene unmittelbar unter der Gletscher- bzw. Schneegrenze bis herab auf gut 4000 Meter – machen das Fünf- bis Fünfzehnfache der Gletscherfläche in der Region aus.

Ein Weg in der Khumbu-Region in der Region der Baumgrenze. Auch darüber wird es immer grüner.
Foto: Karen Anderson/Uni Exeter

Für ihre Untersuchung, die im Fachblatt "Global Change Biology" erschien, wertete das Team um Anderson Nasa-Satellitendaten von 1993 bis 2018 aus, die mittels Google Earth Engine auf einfache Weise zugänglich gemacht werden. Wie Anderson sagt, wurde durch dieses technische Hilfsmittel die Forschung revolutioniert. Zuvor hätte es Supercomputer gebraucht, um die Satellitenfotos für solche Zeitreihenuntersuchungen der Vegetationsdecke auf vier Höhenstufen von 4150 bis 6000 Metern über dem Meeresspiegel zu analysieren.

Abkühlung oder weitere Erwärmung?

Die Hauptergebnisse waren nicht ganz überraschend: Ähnlich wie auch in den Alpen dehnten sich die Verbreitungsgrenzen nach oben aus, wie die Vergleiche aus einem Vierteljahrhundert eindeutig zeigen. Insbesondere für die Bereiche oberhalb der Baumgrenze hat dies gravierende Auswirkungen: So etwa hat in der Everest-Region der Bewuchs mit Gras und kleinen Sträuchern stark zugenommen.

Eindeutige Vergleiche: Blau eingefärbt sind jene Regionen, die 1993 von Pflanzen besiedelt war. Rötlich sind jene Gebiete, die bis 2017 von der Vegetation zusätzlich erobert wurden.
Grafik: Karen Exeter et al. / Uni Exeter

Unklar ist allerdings, wie sich diese Zunahme bei der Vegetation auf die Wasserversorgung auswirkt, gesteht Anderson ein: Einerseits seien Studien in der Arktis zum Schluss gekommen, dass mehr Vegetation einen wärmenden Effekt auf die umgebende Landschaft hat, da die Pflanzen mehr Licht absorbieren.

"Das wäre die schlechte Nachricht für den Himalaja", so Anderson, da das zu schnelleren Schneeschmelzen und einem erhöhten Überschwemmungsrisiko in den Flüssen der Region führen könnte. Andererseits gibt es auch eine neue Untersuchung für die Region Tibet, die den gegenteiligen Effekt feststellte: Weil es mehr Pflanzen gibt, verdunstet mehr Wasser, was einen kühlenden Effekt hat.

Die Klärung dieser Frage ist von einer nicht gerade geringen Bedeutung, wie Anderson betont: Schließlich hängen rund 1,4 Milliarden Menschen am Tropf dieses gigantischen Wasserreservoirs, das die zehn größten Flüsse Asiens speist. (tasch, 11.1.2020)